Goldmacher (German Edition)
aufzurichten, den Lenker und alles, was sonst noch verbogen war, wieder gerade zu biegen. Kaputt war nur die Kette. Er bot ihm an, sie zu reparieren. Doch wie sich schnell zeigte, war es geschickter und wohl auch geübter als er, die Kette würde alle naselang reißen, erklärte es.
Am Ende tauschten sie ihre Adressen aus. Das Mädchen wohnte mit seinen Eltern und seinem Bruder bei den Großeltern, Anton dagegen war bereits aus der ehemaligen Vorratskammer ausgezogen und hatte trotz Proteststürmen von Katharina bei Onkel Alfred, den sie wegen illegaler Schwarzmarktgeschäfte beargwöhnte, ein Zimmer gemietet, das separat gleich neben der Eingangstür zu seiner Wohnung lag.
Sie verabredeten, gemeinsam schwimmen zu gehen, und am darauffolgenden Sonntag klingelte das Mädchen an der Tür, um Anton abzuholen.
»Die hat ja rotes Haar!«, flüsterte der Onkel mit vielsagendem Blick der Tante ins Ohr, dann verstaute er drei Zigarettenpackungen in seiner alten Aktentasche und verließ die Wohnung, nicht ohne zuvor noch an der Tür zu Antons Zimmer gelauscht zu haben, zu hören gab es jedoch überhaupt nichts.
Tatsächlich war das Mädchen in Antons Zimmer stehen geblieben, hatte sich an die Wand gelehnt, stumm auf den Karton gestarrt und sagte kein Wort. Es war ein großer neuer Pappkarton mit einer Aufschrift in englischer Sprache. Er stand auf dem Tisch mitten im Raum. Die Neugier darauf, was der Karton wohl enthalten würde, hatte im Kopf des Mädchens schlagartig alles verdrängt, sogar die Verabredung, zum Schwimmen zu gehen.
»Geklaut?«, fragte das Mädchen endlich.
Anton zuckte nur mit den Schultern.
»Bist du ein Dieb, oder bist du ein Schieber?«
Anton zuckte wieder mit den Schultern.
»Wahrscheinlich bist du beides«, gab es sich schließlich selbst die Antwort, »dabei siehst du so harmlos aus.«
»Weder noch, ich habe es nur faustdick hinter den Ohren«, widersprach Anton und merkte, wie er verlegen wurde. Das Mädchen sah ihn jetzt zweifelnd an und legte die Hand auf den Türgriff. Wie konnte er bloß verhindern, dass es das Zimmer verließ?
»Der Karton ist für dich, und alles, was drin ist, auch«, sagte er schnell.
Anton hatte Hans-Ulrich aufgesucht und ihn gefragt, was er ihm, um ein Mädchen zu gewinnen, aus der Kantine besorgen könne, woraufhin der ihm einen Karton mit Vorräten vorbeigebracht hatte.
»Nein, nicht alles«, verbesserte sich Anton nun, »der Earl Grey und die Cookies sind für mich, damit ich dich zu Tee und Keksen einladen kann, der Kaffee ist für meine Mutter, aber«, und nun nahm er jedes Beuteteil einzeln aus dem Karton und hielt es kurz hoch, um es ihm zu zeigen: »Schokolade, Marmelade, Zucker, eine Dose Mushroomsoup, eine Dose Tomatoesoup, Rosinen, Mehl, Milchpulver, auch die Toffees, diese Bonbons, mit denen man sich die Zähne ziehen kann, alles ist für dich, wenn du es haben willst?«
Das Mädchen klebte noch immer an der Wand, die Hand lag aber nicht mehr auf dem Türgriff. Es musste mehrmals schlucken, bevor es antworten konnte, das Wasser war ihm im Mund zusammengelaufen.
»Will ich natürlich«, antwortete es schließlich und stellte die Tasche mit den Badesachen neben sich auf den Fußboden, »aber dich will ich auch«, sagte es ganz entschieden.
Und so wie Anton ihm eine Kostbarkeit nach der anderen entdeckt hatte, begann es, ein Kleidungsstück nach dem anderen auszuziehen, zuerst die Schuhe, danach die Socken, dann löste es den in der Taille geschlungenen Stoffgürtel und knöpfte das durchgeknöpfte gepunktete Kleid auf. Es trug eine Art Leibchen, auch das zog es aus, mit der gleichen Bewegung die Unterhose, und lehnte sich wie zuvor, nun jedoch splitternackt, wieder an die Wand neben der Tür.
Anton glaubte, mitten in einem seiner verwegensten Träume zu sein, einem jener Tagträume, in denen er sich schon so oft aufgehalten hatte und immer überzeugt gewesen war, sie würden nie Wirklichkeit werden. Was sollte er tun? Dasselbe wie in seinen Tagträumen? Er war aufgeregt und erregt und verlegen zugleich. Er suchte nach dem Namen des Mädchens.
»Magdalena«, sagte er leise.
»Genannt Leni«, flüsterte sie. Dann sah, fühlte, roch, spürte er nur noch ihre nackte Haut. Er musste sie gar nicht berühren, und als er es dann doch tat, begann sie zu glühen.
Sie kleideten sich nicht wieder an, sie blieben nackt. Leni streifte nackt durch das Zimmer wie eine schnurrende Katze und ließ immer wieder mal ihren Kopf mit dem roten zerzausten Haar über
Weitere Kostenlose Bücher