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Goldmacher (German Edition)

Goldmacher (German Edition)

Titel: Goldmacher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisela Stelly
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fiependen Ton, es war Plus. Er spitzte die Ohren und schnupperte in Richtung Hofeinfahrt.
    Alexandra drehte sich um und blickte gegen die Sonne zur Einfahrt hinunter. Undeutlich erkannte sie im Gegenlicht einen Mann. Er schien zu hinken, nein, er hinkte tatsächlich zur Madonna, schien sich dort zu bekreuzigen, nein, er lehnte sich gegen die Stele, er musste sehr erschöpft sein. Vielleicht einer aus der Stadt, aus München, auf Hamsterfahrt ins Umland und jetzt müde, sicher auch durstig. Der Mann kam langsam den Kiesweg hinauf, der längst keiner mehr war, die schweren Militärfahrzeuge hatten tiefe Spurrillen im Weg hinterlassen und die ohnehin dünne Kiesdecke in den Boden gedrückt.
    Plus fiepte und drückte sich mit gespitzten Ohren flach auf den Boden.
    Alexandra legte die Hand über die Augen, sah im Gegenlicht den stark hinkenden Mann näher kommen und dass er einen Verband um den Kopf und einen Arm in einer Schlinge trug.
    Erst langsam, dann immer schneller ging sie den Hügel hinunter und Franz entgegen.
    Mithilfe des alten Hausarztes, den Alexandra erst mit Ziegenkäse, dann mit Hühnereiern bezahlte, ihm auch eine Weihnachtsgans in Aussicht stellte, heilten Franzens Wunden langsam aus. Nach Wochen nahm er endlich an Gewicht zu, das Fieber zehrte nicht länger an ihm.
    Mit jedem Pfund, das sein völlig abgemagerter Körper zunahm, wuchs allerdings seine Wut. Er habe im Dreck gekämpft, in Ruinen, zwischen Toten, Verwundeten und Sterbenden, und es sei alles umsonst gewesen, rief er immer wieder unter den heftigen, ihn erschütternden Wutausbrüchen.
    Hatte Plus Franzens Anwesenheit bisher gleichgültig geduldet, so gaben ihm die Wutausbrüche offenbar eine willkommene Gelegenheit, seinen Unmut über den neuen Mitbewohner, der Alexandras nimmermüde Fürsorge beanspruchte, durch lautes Gebell und gefährliches Knurren auszudrücken. Danach kroch er wieder unter das Bett. Bis zum nächsten Wutausbruch.
    Alexandra sagte nichts zu Franzens Wut, erzählte auch nichts von Hubert, Sepp und Flori. Und Franz fragte nicht nach ihnen, nach keinem von ihnen. Er trank jeden Tag frische Ziegenmilch und aß das von Alexandra gebackene Maisbrot. Sie überredete ihn, täglich zwei rohe Eier zu trinken, das würde ihn kräftigen. Tatsächlich konnte Alexandra beobachten, wie es Franz, je mehr er an Gewicht zunahm, immer leichter fiel, seine eruptive Wut, die ihn zu überfallen schien, unter Kontrolle zu halten.
    Eines Tages war Franz dann kräftig genug, um einen ersten Spaziergang zu wagen.
    »Nicht weit, nur über den Hof und bis zum Hügel«, sagte er.
    »Vielleicht bis zu den Ställen«, schlug Alexandra vor und zeigte Franz den Schrank mit der Kleidung, die sie vom Dachboden geholt hatte, alte Hosen, Jacken und Hemden von früher, auch Mäntel waren darunter, die man vor Jahren in großen Holzkisten eingemottet hatte.
    »Zieh dich warm an, es ist noch kühl«, sagte sie, nahm den Mantel vom Bügel und gab ihn Franz. Franz griff danach, hielt ihn mit beiden Händen hoch und starrte ihn an. Da erst sah Alexandra, dass es der Mantel von Flori war.
    »Zieh ihn an«, sagte sie leise.
    Franz zog den Mantel an und trat hinaus in den schmalen Flur. An dessen Ende hing ein Spiegel. Er ging darauf zu und betrachtete sich lange, und dann liefen ihm Tränen übers Gesicht, ihm, der während des ganzen Krieges kein einziges Mal geweint hatte.
    »Sie sind tot«, sagte er nur.
    Alexandra nickte.
    »Hubert ist im Lager«, sagte sie, »Sepp und Flori sind tot.«
    Gestützt auf ihren Arm, ging Franz hinunter an den See. Beide schauten lange über das Wasser und zu den Bergen und schwiegen.
    »Ich bin gesund«, sagte Franz schließlich und löste seinen Arm. Er wolle ausprobieren, ob es ihm trotz der Narbe oberhalb des Ellenbogens gelingen würde, einen Kieselstein über die Wasseroberfläche hüpfen zu lassen, sagte er. Als es ihm gelang, sah Alexandra, wenn auch nur für einen kurzen Moment, den Ausdruck von Triumph über das Gesicht ihres Sohnes huschen, den sie so gut von früher kannte.
    Jetzt brach Franz jeden Morgen zu einem Rundgang am See entlang und zurück durch den Wald auf, aus dem Rundgang wurde schon bald ein Dauerlauf. Plus zeigte keinerlei Interesse daran, ihn zu begleiten, er blieb bei Alexandra. Franzens Hilfestellungen beim Ausmisten der Ställe oder beim Füttern der Ziegen und Schafe, der Hühner und Gänse beobachtete er mit Skepsis.
    »Er übertreibt«, kommentierte Franz schließlich seine Anhänglichkeit an

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