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Goldmacher (German Edition)

Goldmacher (German Edition)

Titel: Goldmacher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisela Stelly
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Stenografie zerriss, »sehr schade«, wiederholte er, »Sie wären wahrscheinlich ein recht guter Journalist geworden.«

2.
    In jener Zeit, in der die Bluhm’sche Familie im zerbombten Hannover auf engstem Raum zusammengerückt war, lebte Alexandra ganz allein auf dem Amselhof. Im Dachgeschoss war ihr eine winzige Wohnung, die frühere Unterkunft von Berta, der Haushälterin, von den Besatzern zugewiesen worden. Zuvor hatten hohe amerikanische Militärs Hubert verhaftet. Sein Vermögen wurde beschlagnahmt, alle seine Konten gesperrt, der Amselhof requiriert.
    Seitdem hatte Alexandra aus dem Internierungslager in der Nähe von Landshut, wo Hubert auf seine Verurteilung wartete, nur wenige kurze Briefe von ihm erhalten. Ihre regelmäßigen Anträge, ihren Mann dort besuchen zu dürfen, wurden von den Amerikanern stets abgelehnt, doch auf der Kommandantur in Feldafing teilte ihr ein junger Leutnant mit, Franz sei amerikanischer Kriegsgefangener und habe in einem Lazarett in Norditalien seine schweren Verletzungen überlebt. Seit dieser Nachricht verbrachte Alexandra die meiste Zeit des Tages in einem Stuhl am Fenster und schaute von der Dachwohnung den Weg hinunter bis zur Einfahrt, in stiller Erwartung der Rückkehr von Franz.
    Völlig zurückgezogen verbrachte sie Tage, Wochen, ja, Monate allein in der Dachwohnung, sie vermied es sogar, sie zu verlassen, aß kaum etwas, unternahm auch nichts, als ihre Vorräte dahingeschmolzen waren. Die Schmach über Huberts Verhaftung lähmte sie. Um Hilfe bei Freunden wollte sie nicht bitten und die Familie hatte ja nicht nur ihre Heirat abgelehnt, sondern vor allem auch Huberts politische Haltung.
    Das ging so lange in dieser Weise hin, bis eines Tages aus dem Hof ein ungewöhnlicher Lärm durch die immer geschlossenen Fenster zu ihr hinaufdrang und sie hinunter in den Innenhof blicken ließ, was sie wegen der Militärfahrzeuge, die dort parkten, sonst strikt vermied. Sie sah zwei jünglingshafte Soldaten, GI s, die sich damit vergnügten, aus einer immer größeren Entfernung mit immer größerer Wucht Gegenstände an die Hauswand des Seitenflügels zu schleudern.
    Sie wusste gleich, auch wenn sie es aus der Entfernung nicht richtig erkennen konnte, auch wenn sie nur das Lachen der GI s und kein Klirren hörte, dass dort unten an der Hauswand Porzellan zerschellte, nicht irgendein Porzellan, es war das vierundzwanzigteilige Service, das sie von ihren Eltern zur Hochzeit geschenkt bekommen hatte. Und ein Riss durchbrach die innere Mauer, die Alexandra mit der Nachricht vom Tod ihrer Söhne Sepp und Flori gegen die vernichtenden Schrecken und Anfeindungen der Wirklichkeit, der inneren und der äußeren, errichtet hatte. Sie riss das Fenster auf.
    Jetzt hörte sie es, das Klirren, wenn die Teller und Tassen, die Kannen und Schüsseln gegen die Wand krachten und scheppernd zerbrachen. Es klang geradezu zart im Vergleich zu dem sich gegenseitig anfeuernden Lachen, zu den wetteifernden Rufen der GI s. Da schien sich der Riss zu vertiefen.
    In panischem Entsetzen, die Welt hinter der sie schützenden Mauer, ihre Welt, die untergegangene, könnte schutzlos jedem Angriff ausgeliefert sein, schlug Alexandra das Fenster wieder zu, setzte sich zurück an ihren Aussichtsplatz am zur Straße hin gelegenen Fenster und starrte über den See und auf die Berge gegenüber: Seit Langem wünschte sie sich schon, so zu sein wie die Berge, unerschütterbar, unverrückbar, ein Fels in den Brandungswellen aller anflutenden Anfeindungen.
    Lange starrte sie auf die Gipfel und hoffte, sich zu beruhigen, doch dann fühlte sie entsetzt eine weitere Brandungswelle auf sich zurollen, sie, die seit Wochen kaum noch etwas gegessen hatte, wurde von einer Welle von Hunger überflutet. Es fühlte sich nicht an wie Hunger, es war so, als tobe eine Kreatur in ihrem Gedärm, die Alexandra aus der Dachwohnung und die Treppe hinuntertrieb. Ohne einen Blick auf die Scherben des Hochzeitsgeschirrs zu werfen, lief sie am Seitenflügel vorbei und den Hügel hinauf zur Wiese, um etwas Essbares zu finden, mochten es Brombeeren, Löwenzahnblätter oder auch Brennnesseln sein. Tatsächlich fand sie Äpfel, sie hingen fast reif am Baum. Gierig verschlang sie den ersten, und dann noch einen zweiten.
    Danach setzte sie sich unter den Baum, lehnte ihren Kopf an den Baumstamm und schloss erschöpft die Augen. Das Lachen der GI s hörte sie nicht mehr, das Grollen und Gurgeln in ihren Eingeweiden beruhigte sich, sie hörte jetzt ein

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