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Goldmarie auf Wolke 7

Goldmarie auf Wolke 7

Titel: Goldmarie auf Wolke 7 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Engelmann
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hinein, um die Spule zu holen. Es verlor die Besinnung …
    Ich erwachte mit dem Gefühl von nackter Panik.
    Dieser Albtraum begleitete mich, seit ich begonnen hatte, bei der Drachenlady zu jobben. Mit vom Schlaf verklebten Augen tastete ich nach meinem Wecker und versuchte, durch tiefes Ein- und Ausatmen meinen rasenden Puls unter Kontrolle zu bekommen. Es war halb sechs, eigentlich zu früh, um aufzustehen. In der Wohnung war es noch mucksmäuschenstill, aber Duft von frischem Kaffee bahnte sich schon seinen aromatischen Weg durch die Ritze meiner Zimmertür. Irgendjemand war also ebenfalls wach. Leicht benommen tappte ich Richtung Badezimmer, um mich durch eine ausgiebige Dusche in Schwung zu bringen. »Guten Morgen, Marie. Du bist aber früh auf den Beinen«, begrüßte mich Kathrin aus der Küche. Sie war in den Bademantel gehüllt, den mein Vater ihr in dem Jahr zu Weihnachten geschenkt hatte, bevor er gestorben war. Ich murmelte »Hab was Blödes geträumt« und öffnete die von Kalkspuren bedeckte Duschkabinentür. An der Decke hatte sich ein Stück Tapete gelöst, vermutlich durch die hohe Luftfeuchtigkeit. Das Bad hatte dummerweise kein Fenster. Hier müsste dringend mal renoviert werden!, dachte ich und drehte seufzend den Hahn auf. Die Traumgeister hielten mich noch immer fest umklammert, da halfen weder Wasser noch nach Honig duftende Seife.
    Als ich wie üblich zehn Minuten vor Arbeitsbeginn die Bäckerei betrat, war sonnenklar, dass Ludmilla mal wieder total miese Laune hatte. Sie war von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet und ähnelte heute noch mehr als sonst einer bösen Hexe aus dem Märchen. Mit Fingernägeln, die so lang waren, dass sie sich schon nach unten bogen (Bäh!), tippte sie auf dem Display ihres Handys herum und murmelte unverständliches Zeug. Ich versuchte, mich gegen das Unwohlsein zu wehren, das mich mehr und mehr befiel, je näher ich ihr kam. Kommentarlos hängte ich meinen Mantel an den Garderobenhaken, der daraufhin von der Wand fiel. Als ich ihn aufhob, sah ich, dass er gar nicht verdübelt oder festgeschraubt gewesen, sondern lediglich mithilfe von doppelseitigem Klebeband an den Fliesen befestigt war. »Was ist denn hier schon wieder los?«, zeterte Ludmilla, als sie sah, dass mein Mantel auf dem Boden lag und ich mit der Betrachtung des Hakens beschäftigt war. »Schwing deinen Hintern nach vorn an die Theke, wir haben Kundschaft! Kannst du denn nicht einmal das tun, wofür ich dich so fürstlich bezahle?« Ich schluckte schwer: Fürstliche Bezahlung – das war ja wohl die größte Untertreibung des Jahrhunderts! Doch es nützte nichts, im Verkaufsraum wartete eine alte Dame. »Ich hätte gern ein halbes Graubrot, in dünne Scheiben geschnitten, wenn das möglich ist«, bat sie mit brüchiger Stimme und zählte zittrig das Geld in ihrem Portemonnaie. »Aber natürlich ist es das, dafür sind wir ja schließlich da«, antwortete ich, nahm das Brot aus der Auslage und steckte es in die Schneidemaschine.
    Und dann ging plötzlich alles ganz schnell. Ludmilla stellte sich hinter mich, telefonierte mit ihrem Vermieter, gestikulierte dabei wild herum und stieß mir den Ellenbogen in den Rücken. Meine Finger gerieten in die Maschine, mir wurde schwindelig und übel, alles war voller Blut, ich sah farbige, zuckende Blitze, gleißendes Licht und schließlich gar nichts mehr …
    »Was ist denn mit dir passiert, Goldschatz?«, fragte Jorinde Machandel und blickte entsetzt auf meinen Verband, als ich am nächsten Tag in der Praxis ankam. »Ich bin mit einer Brotschneidemaschine kollidiert«, erklärte ich düster. Dass ich heute überhaupt hier sein konnte, verdankte ich ausschließlich der Tatsache, dass ich bis zur Halskrause mit Schmerzmitteln vollgepumpt war. Gut, dass »nur« die linke Hand betroffen war. »Herrjemine, das tut mir aber leid«, antwortete die Sprechstundenhilfe und kam hinter dem Empfangstresen hervor. »Wie konnte denn das passieren? Du musst besser auf dich achtgeben, mein Kind.«
    »Sagen Sie das mal meiner Chefin«, knurrte ich, immer noch voller Groll auf die Drachenlady, der es ziemlich egal gewesen war, was sie gestern mit mir veranstaltet hatte. Wäre Knud nicht im entscheidenden Moment in die Bäckerei gekommen und hätte mich sofort in die Notaufnahme gebracht, läge ich wohl immer noch dort auf dem Fußboden und wäre mittlerweile jämmerlich verblutet.
    »Dann ist es ja umso besser, dass du gerade heute einen Termin bei mir hast, liebe Marie«, sagte

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