Goldmarie auf Wolke 7
ansatzweise jemand für sie interessiert hat? Marie, du hast wirklich ein ausgesprochen gutes Gespür für Menschen und den Verkauf. Wenn du so weitermachst, werde ich dir Ende des Monats zusätzlich zu deinem Lohn einen Bonus zahlen können.« Ich wurde feuerrot vor Verlegenheit, weil Dylan einen anerkennenden Pfiff ausstieß und Delia mich anschaute, als sei ich eine seltene Pflanze oder ein besonders teures Museumsstück. Als Nives und Dylan Richtung Sitzungsraum gingen, zog Delia mich beiseite. »Ist dieser Dylan dein Freund?«, wollte sie wissen und mir wurde ein wenig unbehaglich. Wieso fragte sie mich so etwas Persönliches? Anstelle einer Antwort nickte ich nur und begann, die Rahmen der ausgestellten Betten mit einem feuchten Lappen zu putzen. »Ist er Ire?«, fragte Delia beharrlich weiter. Ich nickte wieder, dachte dabei aber: Okay, das reicht jetzt!
»In Hamburg leben ja einige Iren«, fuhr Delia unbeirrt fort. Offenbar lag ihr dieses Thema – oder mein Freund – besonders am Herzen. »Da ich selbst zur Hälfte Irin bin, freue ich mich immer, wenn ich Menschen aus meiner alten Heimat treffe. Ich stamme übrigens aus der Grafschaft Cork.« Genau wie Jayden …
»Er heißt mit Nachnamen O’Noonan, vielleicht kennen Sie ja zufällig jemanden aus seiner Familie. Sie leben schon seit zwanzig Jahren in Hamburg, weil Dylans Vater Jayden sich in eine Deutsche verliebt hat und ihretwegen ausgewandert ist.
»Das weiß ich«, antwortete Delia kaum hörbar.
»Woher denn?« Ich war platt. Was für ein magischer Zufall! Doch nun hatte offenbar Delia keine Lust, meine Fragen zu beantworten, oder das Thema war ihr unangenehm. Deshalb widmete sie sich mit ernster Miene der Ablage. Auch gut.
Schließlich gab es ja auch jede Menge zu tun.
»Hast du Lust, am Samstag mit mir zu einem Fotoshooting zu kommen?«, fragte Dylan, nachdem seine Sitzung bei Nives zu Ende war. »Ein Freund von mir hat gerade einen Preis für seine erste Modekollektion bekommen und braucht nun Bilder von sich und seinem Atelier in der Langen Reihe.« Ich versuchte, den Blick zu ignorieren, den Delia uns zuwarf. Ihr Alter war zwar schwer zu schätzen, weil sie ein eher zeitloser Typ war, aber ich war dennoch alarmiert. Es war schließlich nicht das erste Mal, dass ich bemerkte, wie sowohl Mädchen als auch erwachsene Frauen auf Dylan reagierten. »Nur wenn es abends ist, ich muss doch arbeiten«, flüsterte ich, weil wieder Kunden im Laden waren. Dylan gab mir einen zärtlichen Abschiedskuss, dem ich immer noch nachspürte, als Traumzeit kurz danach rappelvoll war. Nives ging wie immer Punkt achtzehn Uhr, was mich wunderte, weil Delia und ich ja noch nicht so eingespielt waren. Doch offenbar vertraute sie uns.
»Was würde es kosten, wenn ich diese Bettwäsche für mein Hotel bestelle?«, wollte eine Kundin wissen und deutete auf einen Bezug aus hellgrauem Satin mit dezenten anthrazitfarbenen Karos. »Wie viele brauchen Sie denn?«, fragte ich zurück. Mit größeren Bestellungen hatte ich noch keine Erfahrung, weil Niki das sonst immer abgewickelt hatte. »Zweihundert«, antwortete die Dame und meine Augen wurden weit. Eine Garnitur kostete einhundertachtzig Euro. Zweihundert demnach also … »Ich frage gleich mal bei meiner Chefin nach. Das könnte aber einen kleinen Moment dauern. Kann ich Ihnen in der Zwischenzeit etwas zu trinken anbieten?« Zum Glück eilte Delia sofort herbei, rückte der Kundin den Korbsessel zurecht und erkundigte sich nach ihrem Getränkewunsch. Währenddessen machte ich mich auf die Suche nach Nives, allerdings ohne Erfolg. In den hinteren Räumen fehlte jede Spur von ihr, sie ging auch nicht ans Festnetztelefon. Also beschloss ich, zu ihr hinauf in die Privatwohnung zu gehen, auch wenn ich seit meiner Einladung zum Afternoon-Tea nicht mehr dort gewesen war. Ich hatte zwar ein etwas mulmiges Gefühl, als ich die knarzende Holztreppe nach oben stieg, weil ich Nives nicht stören wollte. Aber auf der anderen Seite würde sie sich ja auch bestimmt über den tollen Umsatz freuen. Verflixt, wieso besaß sie eigentlich kein Handy?
Ich klopfte erst zaghaft, dann lauter. Da mir niemand die Tür öffnete und ich mich nicht traute, einfach hineinzugehen, beschloss ich, stattdessen im Garten nachzusehen.
Vielleicht schippte Nives dort gerade Schnee oder tankte ein bisschen frische Luft?
Der Flur zur Terrasse lag im Dunkeln, doch ich war fest entschlossen, sie zu finden, um ihr den großen Auftrag zu sichern. Also öffnete
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