Goldmarie auf Wolke 7
Mädchen um den Finger wickeln, und sie nicht zu seiner Schwester schicken … Hach, ich war schon sehr gespannt auf Dylans Großfamilie und konnte es kaum erwarten.
»Herzlich willkommen, liebe Marie, schön dich kennenzulernen«, begrüßte mich eine kleine, zarte Person mit hellblondem Haarzopf und den wärmsten Augen, die ich je gesehen hatte. »Ich bin Odelia, Dylans Mutter. Dylan hat eben angerufen, dass er einen kleinen Moment später kommt, ich hoffe, das ist in Ordnung für dich. Lass uns ins Wohnzimmer gehen.«
Ich folgte der sympathischen Odelia mit klopfendem Herzen. Nun würde ich die ganze Familie kennenlernen, ohne dass Dylan meine Hand hielt. »Wirf deinen Mantel einfach über den Klavierhocker, wenn du magst«, sagte einer seiner Brüder, der Dylan verblüffend ähnlich sah. »Ich bin Ryan, der Zweitälteste.« Ich gab Ryan die Hand.
»Und ich bin der Vater dieser wilden Bande und würde mich freuen, wenn du mich Jayden nennst«, begrüßte mich ein hünenhafter Typ mit rotgoldenem Rauschebart und blitzenden Augen. »Das hier sind Conor, sechzehn Jahre alt, und natürlich unser Geburtstagskind Mic, gerade stolze vierzehn geworden.« Ich gab den beiden ebenfalls die Hand und überreichte Mic mein Geschenk, eine CD von Rea Garvey, die er sich gewünscht hatte. »Hallo Marie, ich bin Sophie«, ertönte da ein helles Stimmchen hinter mir. Ich drehte mich um und hatte das Gefühl, in das Gesicht eines Engels zu schauen. Zauberhaft war die schätzungsweise Zehnjährige mit ihren langen, seidig blonden Locken und einer Stupsnase übersät von Millionen Sommersprossen. »Kein Problem, wenn du dir die Namen nicht alle auf einmal merken kannst«, lächelte Odelia und deutete auf den Tisch. »Setz dich ruhig, wir haben keine feste Ordnung. Möchtest du Tee?« Ich sah, dass es neben den drei verschiedenen Kuchen und Torten eine große Etagere mit belegten Sandwiches gab, wie ich sie schon einmal bei Nives gesehen hatte. Gab es bei den Iren auch die klassische Zeremonie des Afternoon-Tea? Ich war verwirrt, weil ich spontan an das angespannte Verhältnis zwischen diesen beiden Bevölkerungsgruppen denken musste. »Du musst nicht aufgeregt sein, Dylan kommt bestimmt gleich«, piepste Sophie, setzte sich auf den Stuhl neben mir und legte kurz ihre weiße, weiche Hand auf meine. Wie süß von ihr! »Wo steckt der Kerl denn eigentlich?«, polterte Jayden plötzlich los und schaute mit finsterer Miene quer über den Tisch. »Ist nicht gerade stilvoll, seine Freundin ohne Begleitung den Löwen zum Fraß vorzuwerfen. So habe ich meine Kinder nicht erzogen! Wir O’Noonans sind seit Generationen stolz auf unsere Zuverlässigkeit und darauf, stets höflich zu sein, egal wie blöd man uns kommt.« Einen Moment lang war ich unsicher, ob Dylans Vater es ernst meinte oder uns alle auf den Arm nahm. »Der Junge steckt bestimmt noch bei den Aufnahmen fest«, widersprach Odelia und gab ihrem Mann einen spielerischen Klaps auf den Hinterkopf. »Schäm dich, Marie so zu erschrecken. Schau mal, wie blass sie ist. Sie muss ja denken, inmitten einer Hottentottenfamilie gelandet zu sein.«
»So ist Dad, immer zu Scherzen aufgelegt«, kommentierte Ryan die Szene und nahm sich ein belegtes Sandwich. »Das ist auch der Grund, weshalb keiner von uns ihn wirklich ernst nimmt.« Mir wurde augenblicklich warm ums Herz. Ich liebte es ja schon sehr, mit Jules Familie zusammen zu sein, aber die O’Noonans toppten das irgendwie noch ein bisschen, weil Jayden und Odelia nicht so steif waren wie Gesa und Jan.
»Hello everybody und Happy Birthday, Bruderherz«, ertönte es da inmitten des Tellerklapperns.
Mein Herz schlug etliche Takte schneller, als Dylan den Raum betrat, und erst recht, als er auf einmal zu singen begann. Ich war fassungslos. Wer hätte gedacht, dass er so eine unglaublich tolle Stimme hatte? Dylan sang Happy Birthday in einer ganz eigenen, eher schrägen Version, die mir Schauer über den Rücken jagte. Am Tisch war es augenblicklich still geworden und ich sah Tränen in Mics Augen glitzern. Als das Lied zu Ende war, klatschten alle begeistert, ich natürlich auch. Nachdem Dylan seinen Bruder umarmt und ihm sein Geschenk gegeben hatte, kam er zu mir und gab mir einen Kuss. »Ich hoffe, du hast meine SMS rechtzeitig gelesen?«, fragte er, und ging dann reihum, um dem Rest der Familie Hallo zu sagen. SMS?!?
Ich zog das Handy aus der Tasche und siehe da, Dylan hatte mir geschrieben, dass er sich etwa zehn Minuten verspäten
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