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Goldmond

Goldmond

Titel: Goldmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Picard
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suchte Ronan nicht mehr. Es war zu anstrengend und kostete auf einer Reise zu viel Zeit. In der Wüste konnte er sich beides nicht leisten, denn er durfte den Anschluss an die Händler nicht verlieren. Er musste Sanara in Farokant erwarten, vielleicht hatte er dort die Gelegenheit, tiefer und mit mehr Kraft in die Nebel zu gehen.
    So blieb er weiter bei der Karawane und zog mit ihr durch die endlose Weite der Sanddünen von Solife. Irgendwann schließlich lag dann das Heerlager der Elben am Heiligtum der Tiefe vor ihm.
    »Ich befahl, man möge uns nicht stören! Wie kannst du es wagen!«
    Ronan fuhr zurück, als er so harsch angesprochen wurde. Er neigte den Kopf, um die angemessene Ehrerbietung zu bezeugen, doch er fiel nicht in die Knie, wie es einem fahrenden Sänger geziemt hätte, der vor dem Zelt einer elbischen Dari stand und um Einlass bat. Er ließ es sich in der Regel nicht anmerken, dass Elben ihm, dem Musikanten, genauso viel Unbehagen einflößten wie jedem Menschen, doch hier, angesichts von Tarinds Sarkophag und der Aussicht darauf, die Königin zu treffen, deren Gestalt und Seele so düster war wie ein Teich in der Nacht, fiel es ihm schwerer denn je.
    Der Tod machte ihm keine Angst. Dazu ging er zu oft in die Nebel. Er kannte die Gesänge, die einsame und verlorene Seelen zu den Schöpfern brachten. Doch das kaum erhellte Halbdunkel im ethandin , das hinter dem zurückgeschlagenen Eingang wartete, war schlimmer als das, was in den Nebeln lag. Hier draußen leuchteten die Sonnen und verbreiteten Helligkeit, Wärme und Weite, in einer Wüste, in der ständig der Wind sang. Dort drin regierten Kälte, Stille und mit der Halbelbin Ireti der Tod.
    Ronan war mittags im Dorf eingetroffen, das am Fuße des heiligen Tafelbergs von Farokant lag, und hatte damit gewartet, das Heerlager und damit Königin Ireti aufzusuchen, bis die Kraft der Weißen Sonne nachgelassen hatte. Nachdem der Händler von der Angst berichtet hatte, die im Heerlager unter Menschen und Elben herrschte, wollte er sie nicht noch schüren, indem er zur Roten Stunde kam. Ronan wusste sehr wohl, dass nicht nur seine Kunst, sondern schon seine bloße Gestalt den Elben Angst einflößte. Was er selbst als Gabe der Schöpfergeister betrachtete, war ihnen ein Fluch.
    Er sah den Mann an, der ihn eingelassen hatte. Wie die Königin hatte er blaue Augen, in denen runde, dunkle Pupillen saßen und ihnen ein stechendes Aussehen verliehen. Ein Halbelb, dessen Kleidung ihn als einen General des Heers auswies. Ronan kannte das Gesicht.
    »Daron Iram, ich grüße Euch«, sagte er lächelnd und sah dem Halbelb ins Antlitz. »Ich bin sicher, Eure Herrin erwartet mich.«
    Iram schwieg. Dann nickte er, trat langsam beiseite und bedeutete Ronan mit einer Geste, das Zelt zu betreten. Ronan trat über die Schwelle. Der Teppich, der den Zugang verschloss, fiel hinter ihm nieder.
    Ronan blinzelte, bis sich seine Augen an das Halbdunkel gewöhnt hatten. Schwaden von Rauchwerk durchzogen das Zelt so dicht, dass er selbst die wenigen Lichtquellen – ein paar Lampen und ein Schwarzsteinbecken – kaum sah. Die dichten Fahnen des Nebels wehten in einer unfühlbaren Brise durch das Innere, undso sah Ronan erst nach einigen Augenblicken die Kniende, die in einer Ecke ganz und gar reglos vor einer Sandkuhle hockte, in der Gewürze und Spezereien verbrannten.
    Ireti.
    Erst jetzt hörte Ronan den Gesang. Die Töne waren geringfügig anders als die des Lieds, das Ronan sang, wenn er die Jenseitigen Ebenen betreten wollte, und sie klangen so leise an sein Ohr, als würden sie von den Nebeln, die das ethandin durchzogen, gedämpft.
    Die Atmosphäre war ungut. Ronan begriff, dass Ireti in den Nebeln unterwegs war, doch ihm war ebenso klar, dass sie dort zu oft hinging. Zumal sie halb Elbin und die Gabe in ihr – nicht zuletzt durch die blaue Magie, die ihr innewohnte – verwässert war. Dadurch fiel es umso schwerer, die jenseitige Leere zu betreten.
    Ronan erinnerte sich an das erste Mal, dass sie ihn aufgesucht hatte, damals, als er mit Sanara nördlich des Mondsees auf dem Weg zum Tempel der Quelle gewesen war. Ihr Seelenbild war klar und deutlich zu sehen gewesen, eine schöne, blasse Frau mit weiten, wallenden Gewändern aus Seide und langen, dunklen Haaren, wie Ys selbst.
    Seither hatte er sie oft gesehen, doch die Anstrengung, über so weite Strecken hinweg ein Seelenbild zu erzeugen, hatte sie erschöpft. Er hatte ihr Bild nach jener Begegnung nur selten wieder so

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