Goldmond
zurücknehme. Ihr seid wahrlich die Erben eines Führers, Shisani, das konnte ich auf dieser Reise feststellen. Ihr seid noch überaus jung an Jahren, doch nur wenige sind in der Lage, andere Geschöpfe der Zwillingsmonde so gut einzuschätzen wie Ihr. Auch Euer Bruder konnte das.« Er warf einen Seitenblick auf Telarion, der die Stirn runzelte. Er konnte nur hoffen, dass Gahariet nicht weiter darauf einging, dass Sinan sehr wohl erkannt hatte, was Telarion mit Sanara verband. Der Soldat schien zu begreifen und sprach weiter. »Und so gelangte ich zu der Ansicht, dass das Vertrauen, das der Neffe meines Fürsten in Euch setzt, sehr wohl verdient ist.« Er neigte erneut den Kopf. »Wenn ich Menschen fürderhin nicht mehr nur als Sklaven und rebellische Schwarzhexer ansehe, dann ist das Euch zu verdanken. Ich wünsche Euch Vanars Segen, Shisani.«
Telarion sah, dass Sanara angesichts des Wortes »Sklaven« die Stirn runzelte und aufbegehren wollte, dann aber schwieg. Stattdessen warf sie den Kopf in den Nacken und lachte.
Telarion unterdrückte selbst ein Lächeln. Er hatte sich an ihre spontanen Stimmungsumschwünge gewöhnt, doch das verdutzte Gesicht Gahariets war selbst für ihn komisch anzusehen.
»Ich danke Euch, Gahariet«, sagte Sanara freundlich. »So die Schöpfergeister es wollen, werden wir uns alle wiedersehen. Schon bald«, fügte sie mit einer Stimme hinzu, die wahrscheinlich für alle außer Telarion zuversichtlich klang. Dann wandte sie sich ab und kletterte die Leiter hinauf aufs Dach.
Auch Telarion verabschiedete sich von Gahariet und seinem Gefährten.
Er gab ihm noch eine kurze Nachricht an seinen Onkel mit. Gahariet hatte vor, mit seinem Gefährten das Elbenheer vor Sirakand aufzusuchen, von dort konnte sie mit einem Vertrauten nach Darkod gelangen. Offiziell wollte Gahariet sich dort den Kämpfen gegen den Zaranthen anschließen. Doch eigentlich sollte er im Namen des Fürsten Damastan von Norad dafür sorgen, dass die Norani und die Nisan – im Falle, dass Sanara und Telarion ihren Auftrag, das Siegel zu lösen, erfüllen konnten – Ireti Landarias die Treue versagten.
Gahariet und sein Gefährte machten sich nun daran, ihre Sachen zu packen. Telarion sah ihnen für einige Augenblicke zu, dann wandte er sich um und kletterte, einer spontanen Eingebung folgend, auf das Dach des Gebäudes. Es war von durchbrochenem Mauerwerk umgeben und bildete eine Terrasse. In einer Ecke stand ein Regenfänger, wie er hier am Rand der Steppe, wo die Wüste begann, manchmal, wenn auch selten, vorkam. In einer anderen Ecke befand sich ein Sonnensegel, unter dem man aus Matten und Kissen ein Lager hergerichtet hatte.
Sanara wandte ihm den Rücken zu. Sie kniete unter dem Segel, hatte die Arme auf die Brüstung und das Kinn darauf gelegt und sah gedankenverloren zum Horizont. Trotzdem hatte Telarion kurz den Eindruck, als habe sie gerade mit jemandem gesprochen.
Doch da war niemand, sie war allein. Die anderen Gäste, dieebenfalls unter dem Sonnensegel nächtigten, waren wohl noch im Dorf unterwegs. Der Abend war klar, man konnte weit über die Sanddünen blicken, die sich in der Ferne verloren, und obwohl die Weiße Sonne schon bald hinter der letzte Hügelkette verschwinden würde, gab die rote noch Licht genug. Tief im Süden glitzerte rosig ein schmales Band unterhalb einer Silhouette, die bereits die Kantar-Berge erahnen ließ – die Salzebene, die in manchen Jahren der Vanion-See war.
Telarion ließ seinen Blick über die karge Landschaft schweifen. Sie war von ganz eigener Schönheit, einer, die sich von den üppig grünen Wäldern von Norad in beinahe allem unterschied, was wichtig war. Sie war beherrscht vom Sand der Erde und dem Feuer des Sonnenlichts, und doch schien sie auf seltsame Art und Weise lebendig.
Wie Sanara.
Er warf ihr noch einen Blick zu, dann wandte er sich wieder um und wollte so leise wie möglich wieder die Leiter hinunterklettern.
»Wollt Ihr ohne ein Wort gehen, Daron Norandar?«
Telarion blieb stehen, drehte sich aber nicht um.
»Es gab eine Zeit, Shisani, da nanntet Ihr mich Daron Elb.« Es klang wie ein Vorwurf, und der Satz war Telarion über die Lippen gekommen, bevor er ihn zurückhalten konnte. Er biss die Zähne zusammen.
Viele Zehntage waren sie nun unterwegs, und seit Gahariet vor Fürst Damastan bezeugt hatte, was mit Sinan Amadian geschehen war, hatte Sanara kaum ein Wort mit Telarion gewechselt.
Doch auch er war zornig und enttäuscht darüber gewesen,
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