Goldmond
Waffe für den Heermeister zu fertigen – ihn an diese alten Geschichten erinnert hatte. Ronan erinnerte sichauch an den Namen des Schmieds. Es war Sanaras Bruder gewesen, Sinan Amadian.
Sinan Amadian. Er war der Mann, der hier vor ihm stand und der mit Leidenschaft die Klinge bearbeitete.
Er ist ein Geschöpf wie du. Er hat eine Aufgabe zu erfüllen. Doch er vermag es nicht allein und bat mich um Hilfe. Ich kann nicht selbst eingreifen, bis das Siegel gelöst ist. Tu du es für mich und erfülle damit deinen Anteil an der Aufgabe.
Ronan lächelte versonnen beim Anblick des Schmieds. »Also ist Sinan Amadian hier im Heiligtum«, sagte er. »Dann werde ich dein Werkzeug sein, Schöpfergeist.«
Wieder erklang das Lachen. Dann verwehte es in der Unendlichkeit.
Kapitel 12
»Vanar, der Goldmond, liebte die Bäume und wohnte in einem von ihnen, nah bei den Stromschnellen des Sorinas. Sein Haus war umgeben von Laub, rosigen, weißen und blauen Blumen und dem jungen Grün der Süßholzrohre. Vanar hatte es weit oben in der Krone des Baums gebaut, auf dass er den Wolken und dem Wind nah sei und sein Gesicht dem Regen und der Purpursonne sowie dem Silbermond entgegenhalten könne. Doch er konnte seine Freude an Wind und Regen und der Schönheit der Blüten mit niemandem teilen, und so begann er eines Tages, sich ein Geschöpf aus Blüten zu machen, aus dem Laub der Bäume und dem duftenden Holz des Yondarbaums. Doch es blieb leblos, bis Vanar es mit dem Tau des Morgens benetzte und ihm den Atem des Windes einhauchte. Seither leben die Elben, die Abkömmlinge dieses ersten ihres Volks, gern in Wäldern oder in der Nähe des Wassers, und sie bestehen aus der Magie der Dinge, aus denen sie gemacht sind.«
Von den Gaben der Kinder des Vanar
Zweite Rolle der Schriften des Klosters der Weisen Zwölf
T elarion sah an sich hinab. Man hatte ihm gesagt, dass das Gewand, das er angelegt hatte – man nannte es in der Sprache der Solifi jibahan – vor der Hitze er Wüste schütze. Er schaute noch einmal auf das glänzende Messing-Tablett, das ihm als Spiegel diente, und brauchte ein paar Sekunden, bis er in dem Gesicht, das von einem darstar gekrönt wurde, sich selbst wiedererkannte.
»Daron?«
Telarion wollte antworten, doch erneut fiel sein Blick auf dasMessing-Tablett. Es verschlug ihm die Sprache, als er seiner wieder ansichtig wurde.
Der Soldat, der ihn gerufen hatte, betrat den Raum und blieb im Eingang stehen – verwirrt, als habe er sich in der Tür geirrt.
»Daron?«, fragte er noch einmal halblaut.
Telarion warf ihm einen schiefen Blick zu. »Beunruhige dich nicht, Gahariet. Ich bin es.« Er musterte sich noch einmal. »Allerdings würde ich es begrüßen, wenn du meinem Onkel nicht berichtest, dass ich gezwungen war, die Kleidung von … zwielichtigen Händlern und Vieh-Nomaden anzulegen.«
Gahariet verzog keine Miene. »Die Shisani Sanara sagte, es sei notwendig, die Kleidung der hiesigen Nomaden zu verwenden, wenn Ihr von hier aus in die Kantar-Berge weiterreisen wollt. – Ihre Ratschläge sind hin und wieder nicht von der Hand zu weisen«, fügte er nach kurzem Zögern hinzu.
Telarion nickte missmutig und hielt inne, weil er das Gefühl hatte, der schwere Schal aus gewebter Wolle rutsche ihm vom Kopf. Noch einmal sah er in den improvisierten Spiegel und rückte den darstar wieder zurecht. Er wandte sich ab und ging an Gahariet vorbei ins Freie.
Sanara stand mit einer der Frauen am Brunnen. Offenbar hörte sie sich nach Karawanen um, die hier vom Rand der Steppe direkt in den Süden nach Farokant und vielleicht sogar weiter zum Heiligtum der Tiefe reisten. Auch sie trug einen darstar wie er, doch sie hatte nicht ihre Haare darunter versteckt, wie sie es als Schankmädchen getan hatte. Zöpfe, geflochtene Strähnen, solche, die mit Fäden umwickelt und mit Perlen aus Stein und Lehm geschmückt waren, auch Filzlocken quollen unter dem leuchtend orangefarbenen Tuch hervor und fielen ihr auf die Schulter.
Telarion gestattete sich einen Augenblick lang, ihren Anblick zu genießen, und hoffte, dass sie es nicht bemerkte. Seit ihrem Streit in Darkod hatte sie sich ihm entzogen und ließ nicht einmal mehr zu, dass er sie betrachtete. Doch nun achtete sie nicht aufihn, ja, vielleicht bemerkte sie ihn nicht einmal in der ungewohnten Kleidung.
Die lange Reise durch die Steppe von Entarat, immer im Licht beider Sonnen, um – im Gegensatz zu den Elben – den Tag zu nutzen und die Nacht zu meiden, hatten die
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