Goldmond
lassen, mit ihm zusammen zu versuchen, in die Nebel zu gehen und nach dem Siegel zu suchen. Ließ sie sich daraufein, würde Ronan sie nach Möglichkeit davon ablenken, nach Telarion und Sanara zu suchen, wenn diese gerade ins Heiligtum eindrangen.
Lukaril hatte auf der Wanderung selbst sehr wohl erfasst, dass Sanara und Telarion ein Geheimnis umgab. Doch da sowohl sie und ihr Bruder als auch Ronan so offenbar Dunkelmagier waren, hatte er auch Telarions Anwesenheit hingenommen und nicht weiter nachgefragt. Je länger er darüber nachdachte, desto deutlicher begriff Telarion, dass Lukaril nur eines verstanden hatte: Sie alle waren Rebellen gegen die elbische Königin, die den Süden und den Westen des Landes besetzt und mit Krieg überzogen hatte. Ein weiteres Mal war ihm klar geworden, wie ungezähmt die Menschen waren, wie freiheitsliebend, und wie sehr sie gegen alles kämpften, das ihnen Sklaverei und Tyrannei aufzwingen wollte.
Und erst jetzt begriff er wirklich, warum Ys ihn und Sanara ausgewählt hatte, warum sie beide es waren, die diese Aufgabe vollbringen mussten.
Er steht auf dem Gipfel des Berges Seleriad. Sanara liegt in seinem Arm, ihre Lippen an seinen, und er weiß mit einem Mal, dass nur seine Kräfte die Verletzungen heilen können, die das Massaker, das sein Bruder anrichtete, und ihre zehn Jahre lange Flucht in ihr hinterlassen haben.
Und nur ihre Seelenmagie wird seinen Hass auf das Volk des Dunklen Mondes und ihr Haus auslöschen können .
»Und hat es schon getan«, murmelte er, während Sanara vor ihm hinter einem knorrigen Ölbaum verschwand.
Durch den Ölwald begannen jetzt schon die rötlichen Felswände des Tafelbergs hindurchzuschimmern. Das Licht wurde düsterer, die Rote Sonne würde noch nicht untergehen, aber bald hinter den Bergen verschwinden. Es wurde zunehmend kühler, erster Abendnebel stieg aus den Wasserkornfeldern hervor und begann, sich unter den Bäumen zu sammeln.
Kaum ein Mensch war zu sehen. Telarion blickte sich um,während er sich zügig unter den tief hängenden Zweigen der Ölbäume hindurchduckte. Doch die wenigen Bauern, die er als Schemen durch den Dunst erkennen konnte, waren fern und schienen sich für ihn und seine Gefährtin nicht zu interessieren. Es waren überhaupt nur wenige, so als hätten die Talbewohner an diesem Abend beschlossen, dass keine Ernte und keine Pflege der Felder nötig sei.
Telarion unterdrückte die Unruhe, die das in ihm auslöste. Vielleicht hatte Ireti die Sitte, nach der während der Roten Stunde die Elben nicht hinausgingen, wenn es nicht unbedingt erforderlich war, auch auf die Oasenbewohner ausgedehnt. Dunkle Kräfte waren jetzt traditionell am machtvollsten. Die Königin war nur mit wenigen Soldaten hier, so würde sie jede Möglichkeit einschränken, dass solche Macht ausgeübt und ihr gefährlich werden konnte.
Unwillkürlich blieb Telarion stehen und betrachtete den Garten mit den Augen des Heilers. Doch obwohl die Schatten auf dieser Ebene der Wahrnehmung von tieferem Schwarz waren als in der Wirklichkeit, schienen sie nicht lebendig. Keinerlei blaue oder gar violette Magie zeigte sich ihm.
Die Felswand war jetzt trotz der zunehmenden Dämmerung zwischen den gekrümmten Stämmen und den Abendnebeln zu sehen. Sie war schroff und steil, wenn sie auch hier am Sockel des Berges nicht so senkrecht aufstieg wie weiter oben. Sanara war davor stehengeblieben und hatte die Hand auf den rauen Fels gelegt. Es sah aus, als spreche sie mit dem Berg, wie Telarion mit einem knappen Lächeln feststellte.
Dann wandte sie sich zu ihm um und bedeutete ihm, dass es zu ihrer Linken weiterginge. Telarion fiel auf, dass sie sich nur orientiert hatte. Wenn der dunkle Fleck, den sie gesehen hatten, wirklich der Eingang – oder ein Busch, der den Eingang verdeckte – gewesen war, dann befand sich davor kein Ölgarten. Vom Wasserspeicher aus hatte es so ausgesehen, als befände sich der Nebeneingang ins Heiligtum in einem Wasserkornfeld.
Dunst kroch träge über der Wasserfläche, in der das Korn wuchs, so dicht, dass man die einzelnen Pflanzen kaum sehen konnte. Beim Gedanken, durch das Wasser waten zu müssen, um die Felswand zu erreichen, stellten sich ihm die Nackenhaare auf.
Noch während er sich ins Gedächtnis rief, wie der Ort genau ausgesehen hatte, blieb Sanara so urplötzlich stehen, dass Telarion beinahe in sie hineingelaufen wäre.
»Dort«, wisperte sie.
In der Tat, rechts von ihnen befand sich direkt an der Felswand ein
Weitere Kostenlose Bücher