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Goldmond

Goldmond

Titel: Goldmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Picard
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konnte.
    Er rief sie leise, doch nur Stille antwortete ihm.
    Schlagartig packte den Schmied die Angst. Verwirrt sah er genauer hin. Jetzt erkannte er, dass Zweige auf der Höhe des Balkons abgebrochen waren. Laub war zerrissen, und nun sah Sinan auf dem Boden, zu seinen Füßen, auch ein paar dunkle Flecken.
    Er hockte sich in und berührte sie mit dem Finger – es war Blut, Blut, in dem der zerrissene Rest eines Wolltuchs lag. Es war zu dunkel, um zu erkennen, welche Farbe das Tuch hatte, doch als Sinan es ins Mondlicht hielt, glaubte er zu sehen, dass es orange war. Doch sicher war er nicht, hatte das Blut doch den Fetzen zum größten Teil durchtränkt. Das Blut war noch nicht geronnen, wenn auch schon zähflüssig. Also war es noch nicht lange her, dass der Mensch – oder der Elb? – es vergossen hatte.
    Langsam stand er wieder auf und versuchte den Schrecken, der ihn erfasst hatte, zu unterdrücken. Er holte tief Luft. Er musste nachdenken, überlegen, was nun als Nächstes zu tun sei.
    Du musst deiner Schwester helfen.
    Es schien ihm klar – man hatte sie entdeckt. Er wandte seinen Blick in die Dunkelheit des Ganges, der hinter ihm in den Tafelberg führte. Doch er betrat ihn nicht wieder. Es war ein Ding der Unmöglichkeit, dort drinnen jemanden ohne Hilfe finden zu wollen. Das würde auch die Königin wissen.
    Das Siegel darf nicht in die falschen Hände geraten. Deine Schwester braucht dich.
    Der Wind sang in der Finsternis des Ganges hinter ihm, und wieder hatte Sinan den Eindruck, ein leises Weinen zu hören. Er schloss die Augen und drängte die Tränen zurück, die in seine Augen traten. Er versuchte, den kalten Schauer zu unterdrücken, der ihm über den Rücken lief und der seine Nackenhaare vor Grauen aufstellte.
    Urplötzlich ist es kalt geworden im Gebetsraum des Abendtempels.
    Sinan lugt durch das durchbrochene Mauerwerk des Allerheiligsten hinaus und sieht, dass zwei Elbenfürsten vor dem Ältesten und Siwanon stehen. Wahrscheinlich sind sie es, die die Kälte gebracht und die Wärme der westlichen Küste des Saphirmeers vertrieben haben.
    Die beiden, gekleidet in blaue Waffenröcke, beschuldigen den Fürsten Amadian, Sinans Vater, sich nicht unterwerfen zu wollen.
    Dann fängt es plötzlich an. Das Töten. Die silbrigen Klingen, die mit einem Geräusch in die Leiber von Sinans Familie, seinen Erziehern und Freunden fahren, das er nie wieder vergessen wird. Während der Anführer – Tarind, wie sein Vater ihn nannte – so schnell herumwirbelt, dass Sinan ihn kaum noch sehen kann, ist da einer, der sich mehr Zeit lässt. Er scheint sich seine Opfer genau auszusuchen. Während Tarind aus Hass tötet, tut es sein Gefährte mit Bedacht und einer Grausamkeit, die Sinan nicht begreifen kann. Einmal gar beugt sich der Gefährte des Prinzen hinab, und Sinan fühlt sich entdeckt, denn er blickt geradewegs auf die durchbrochene Wand, hinter der Sinan kauert.
    Sinan kann es kaum glauben, als er erkennt, dass die dunkelblauen, fast grünen Augen, die durch ihn hindurchstarren, runde Pupillen haben wie seine eigenen, in denen gelbes Feuer zu lodern scheint. Der Gefährte des Prinzen ist also kein Elb. Er ist ein Mensch.
    Aber wie kann ein Mensch blaugrüne Augen haben?
    Sinan legte den Kopf in den Nacken und verdrängte die grausamen Erinnerungen.
    Das Tuch und das Blut waren ein klarer Hinweis – die Elben der Königin hatten Sanara gefasst. Man hatte sie hier erwartet. Sinan überlegte, wer sie verraten haben konnte, doch er kam zu keinem Ergebnis. Er musste einfach davon ausgehen, dass Ireti und ihre Soldaten das Heiligtum in den vergangenen Zehntagen genau erkundet und dabei den Eingang gefunden hatten. Er selbst war wahrscheinlich nicht entdeckt worden, weil man ihn nicht gesucht hatte, wusste die Königin doch nicht, dass es Telarion nicht gelungen war, ihn zu töten.
    Es wäre auch zwecklos gewesen, jede Schmiede, jeden Raum im Heiligtum überwachen zu wollen, und so hatten sich die Soldaten wahrscheinlich auf die Eingänge beschränkt.
    Doch wo war Sanara? Wieder jammerte die Zugluft unendlich leise hinaus in die Stille der Felder, als weine in den Tiefen des Berges jemand.
    Als es still wird, als auch das letzte entsetzte Schreien abgebrochen ist, braucht Sinan eine Weile, um sich zu fassen. Um zu begreifen, was diese beiden Fürsten getan haben. Und dass er das Glück – doch ist es Glück? – hatte, verschont zu bleiben.
    Vielleicht, weil Akusu ihn, den zu Segnenden, noch braucht.
    Er

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