Goldmond
jetzt langsam. »Und doch gibt es Elben, die behaupten, dass jeder, der dem Fürstenhaus der Landarias angehört, auch eine der dunklen Gaben des Akusu in sich trägt.« Den letzten Satz wisperte der Soldat beinahe. Es fiel Githalad schwer, die Worte über das Rumpeln seines Karrens und die Alltagsgeräusche eines Heerlagers hinweg zu verstehen.
»Wollt Ihr damit sagen, die Königin sei nur eine Halbelbin?«, fragte er verblüfft. Er konnte es kaum glauben.
»Schweigt!«, zischte Hiltar und erklärte zurechtweisend: »Das sage nicht ich! Es gehört zu den Dingen, die ich sagen hörte . Und nur diejenigen sagen es, die Freunde des Fürsten Telarion sind. Dass dieser nicht gut auf seine Schwägerin zu sprechen war, ist jedoch bekannt – und deshalb sollte selbst dir als einem dummen Diener klar sein, welchen Wert man derartigen Gerüchten beimessen muss!«
»Es ist auch bei den Menschen ein offenes Geheimnis, dass der Fürst von Norad die Königin hasst«, murmelte Githalad.
Das war ihm in der Tat nicht neu. Der Fürst, der Zwilling des Königs, war auch unter den Kindern des Akusu als einer der größten Heiler seines Volkes bekannt. Er war Githalad immer wie ein Mann vorgekommen, der sich um Gerechtigkeit bemühte, und darum, den Druck auf die Sklaven nicht unnötig zu erhöhen – ein Bemühen, das, nach allem, was er gehört und gesehen hatte, dem König und wohl auch der Königin fehlte. Und doch war dem Gebaren des Fürsten anzumerken, dass er alles Dunkelmagischebis aufs Blut hasste und verachtete. Wenn der Kantir die Wahrheit sprach und die Herrin Ireti dunkle Magie in sich trug, lag es für Githalad auf der Hand, dass der Fürst die Gemahlin seines Zwillings hasste.
»Das tut er«, fuhr der Kantir hochmütig fort. »Er ist ein Shisan des Lebens und stellt hohe Ansprüche an sich und seine Umgebung.«
»Hat er deshalb den König getötet?«, wollte Githalad nach einer gebührenden Pause wissen. »Dieser war immerhin sein Bruder, ja, sogar sein Zwilling, wie es heißt. Tat er es, weil er entdeckte, dass der Bruder mit einer Halbelbin verheiratet war?«
»Wer weiß das schon«, erwiderte Hiltar. »Wundern würde es mich nicht. Es war ein verfluchter Dunkelmagier, der den Vater der Königsbrüder, Dajaram, in die Jenseitigen Nebel riss. Als Heiler war der Fürst in der Lage, das zu spüren. Ein Mensch wie du wird es nicht nachvollziehen können, aber der Tod eines ihm Nahestehenden zerfetzt einem Heiler die Seele und hinterlässt eine Wunde, die niemand mehr heilen kann. Es ist kein Wunder, dass der Fürst von Norad alle Seelenherren ausrotten ließ, kaum dass er Truchsess und Heermeister seines Bruders geworden war.«
Githalad war einer Antwort enthoben, denn nun war der Zug der Neuankömmlinge, zu denen auch er gehörte, zum Stehen gekommen. Die vordersten Elben, darunter auch der Nisan, hatten vor einem der Generäle angehalten, der aus einem der ethandins der Fürsten herausgetreten war. Die leicht lockigen Haare des Mannes, die auf dem Hinterkopf zu einem lockeren Knoten aufgebunden waren, wie elbische Krieger ihn trugen, waren von einem sanften Braun, seine Züge angenehm. Sein Waffenrock war vom kraftvollen Wasserblau des Königs Tarind und trug auch dessen Emblem, einen Yondarbaum aus Wellen.
Githalad kannte den Mann. Es war der Milchbruder des Königs, Iram Landarias. Ein Mann, von dem man sagte, er sei der Halbbruder der Königin. Sein Gebaren dem Soldaten gegenüber war nicht unfreundlich, und doch hatte es etwas Kaltes an sichund weckte in Githalad den Wunsch, der General möge ihn nicht beachten.
Doch der Wunsch erfüllte sich nicht.
»Du bist der Schmied, den meine königliche Schwester aus der Hauptstadt kommen ließ.«
Githalad verneigte sich tiefer und länger als notwendig. So musste er dem General nicht in die fremdartigen Augen schauen, die von einem tiefen Blau waren und in deren dunklen runden Pupillen eine gelbliche Flamme zu lodern schien. Es verlieh dem freundlichen Gebaren dieses Mannes eine Gefährlichkeit, die Githalad verabscheuungswürdiger erschien als die kalte Verachtung, die dem Fürsten von Norad zu eigen war.
»Das ist wahr, Daron«, erwiderte er. Er erhob sich wieder, doch mied er Irams Blick.
»Deinen Karren kannst du hierlassen. He, du!« Er rief den Kantir an, der Githalad über die Königin aufgeklärt hatte. Hiltar, der vom Pferd gestiegen war und gerade den Quartiermeister aufsuchen wollte, gehorchte eilig, kam heran und verneigte sich ehrerbietig.
»Du
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