Goldmond
Doch ein Heiler sah ihn neben anderen Verletzten auf dem Schlachtfeld. Es war ein furchtbarer Krieg, der dritte zwischen Menschen und Elben und der bisher schlimmste und verlustreichste. Einer, an dem alle Wesen der Schöpfung beteiligt waren und Stellung beziehen mussten, entweder für Akusu oder für den Goldmond. Doch Telarat von Norad betrachtete es als seine Pflicht, alle Verwundeten zu heilen. Weil er sich weigerte, diejenigen zu töten, die seine schlimmsten Feinde hätten sein sollen, wurde er von seinem Volk als Verräter gebrandmarkt. Und doch tat er unbeirrt weiter, was sein Gewissen ihm eingab, und schloss auch die Wunde, die Vakaran geschlagen worden war. Das verzieh man ihm nie. Er führte ein Eremitendasein in den Zendarbergen. Man sagt, an der Stelle, wo er lebte, entstand später das Heiligtum der Weisen des Nordens. Vakaran aber erkannte die große Güte Telarats und verzieh dem Fürsten, indem er ihm die Waffe schenkte, die diesen Krieg entschied. Telarathielt sie in Ehren, denn er erkannte, dass Vakaran all seine Kunst hineingelegt hatte – es war der höchste Dank, den dieser Schmied ihm hatte aussprechen können.«
Sinan strich mit den Fingerspitzen über den vollkommenen Stahl der Klinge. Keine Unebenheit war zu erspüren, nur perfekte Glätte. Und doch kam es ihm falsch vor. Unter den Fingerkuppen hätten Runen zu fühlen sein müssen, Zeichen und Symbole, die Magie bedeuteten und dem Metall Leben hätten einhauchen sollen. »Und jetzt glaubst du, ich hätte falsch gehandelt, weil ich dieses daikon nicht dem Heermeister überließ?«, wollte Sinan streitlustig wissen. »Nun, ich bin auf dem Weg zum Zaranthen von Sirakand und werde ihm das Schwert überlassen. Er wird den Krieg entscheiden, und es wird die richtige Entscheidung gewesen sein.«
Adhasar hob die Brauen. »Ich glaube, dass du erschöpft bist und Ruhe brauchst, denn deine Seele hat einen schweren Kampf ausgefochten«, sagte er und erhob sich. »Wir sind auf dem Weg nach Farokant, und du bist so lange unser Gast, wie du es wünschst. Wir werden in wenigen Tagen dort sein. Dann sehen wir weiter. Hier bei uns bist du sicher. Ich werde Mohdavat später zu dir schicken, damit sie den Verband um deine Hand erneuert und …«
»Ich wünsche die Pflege einer Goldmagierin nicht«, unterbrach Sinan ihn.
»Sicher willst du dein daikon irgendwann beenden«, erwiderte Adhasar gelassen. »Und dafür wirst du deine Hand brauchen.«
Er wandte sich um und ging fort.
Langsam ließ Sinan sich wieder in die Senke gleiten, in die man ihn gebettet hatte, und starrte ins Feuer.
Er erinnerte sich an die Legende von Vakaran, er hatte sie bereits während seiner Ausbildung im Tempel des Westens gehört, nicht erst vom Heermeister der Elben. Doch wie bei so mancher Gelegenheit hatte sich das Gesicht der Norandar-Brüder vor das Bild geschoben, das man in seiner Kindheit in ihm geschaffen hatte.
Wieder glitten seine Finger unwillkürlich über den glatt geschliffenen Stahl des daikons , das er gemacht hatte. Erst für einen anderen, doch es besaß noch keine eigene Magie, und als Schmied wusste er, dass Vakaran eine ebensolche Klinge, eine, die vielleicht schon fertig geschliffen war, dem Elben Telarat geweiht hatte.
Einst hatte also ein solches Schwert den dritten Krieg auf dieser Welt beendet. Sinan hatte bisher angenommen, wenn etwas die Sklaverei der Menschen unter den Elben beenden könne, dann sei das die Zerstörung des Siegels. So zumindest hatte Ronan, der Musikant, es ihm erzählt.
Doch vielleicht war mehr vonnöten.
Vielleicht hatte der gelbe Nebel recht gehabt, der die magische Essenz seines Vaters gewesen war, und Sanara brauchte Hilfe. Als er sie zuletzt gesehen hatte, hatte er ihr entgegengeschleudert, sie sei für ihn, Sinan, gestorben.
Nun, Siwanon war für die Menschen gestorben, dafür, dass er sie nicht hatte verraten wollen. Was Sanara auch tun musste und wie sie das fertigbringen wollte, falls ihre Seele nicht mehr rein war – das alles war nicht sein Problem. Es würde ihn, Sinan, nicht davon abhalten, das zu tun, was er sich vorgenommen hatte: Er würde die Seinen beschützen und ihnen helfen.
Legenden besaßen einen wahren Kern, hatte man ihn gelehrt.
Er, Sinan Amadian, würde dafür sorgen, dass auch jetzt wieder ein Schwert die Menschen vor dem Untergang rettete.
Kapitel 4
»Man sagt, dass Ys und Syth ewig im Krieg miteinander liegen werden. Immer wieder glauben sowohl die Kinder des Vanar als auch die Kinder des
Weitere Kostenlose Bücher