Goldmond
zu vergessen oder zumindest beiseitezuschieben. Für wie kindisch musste er sie halten, dass sie immer noch daran festhielt!
Sanara musste die Tränen unterdrücken, die in ihr aufstiegen. Und sie musste endlich ehrlich mit sich sein. Ihre Gefühle waren einseitig.
Niedergeschlagen nahm sie sich eine Dornenfrucht, ließ sich auf den Stufen zur Feuerstelle nieder und begann die stachelige Schale von der Frucht zu pellen. Die Flammen waren klein, doch ihr Knistern und Zischen, wenn sie die feuchte Schale der Frucht hineinwarf, der süße Duft, den ihr Verbrennen verströmte, vertrieben ein wenig die kalte, bittere Frische, die die Kampfübungen mit dem Fürsten in ihr hinterlassen hatten.
Sie schreckte auf, als jemand ihr die Pisang aus der Hand nahm.
»Ich muss dir wohl nicht noch einmal sagen, dass du meiner Meinung nach zu viel Zeit mit diesem hochmütigen Elb verbringst«, erklang eine sanfte Stimme neben ihr. Er biss einmal kräftig in das gelbliche Fruchtfleisch, gab ihr das Obst wieder in die Hand und lachte leise, als er ihre verdutzte Miene sah.
Bevor sie sich beschweren konnte, stimmte Ronan eine Melodie an, die ihr Kraft geben sollte. Schon bald war Sanara von roten, purpurnen und farangelben Funken umgeben, die die Frische und Kälte aus ihr vertrieben. Doch die Töne kräftigten sie nicht wie sonst, auch wenn sie die Flammen, aus denen ihr Wesen bestand, auflodern ließen.
Sanara wusste mittlerweile, dass sie mehr war als nur Feuer und Nebelrauch. Erschöpft lehnte sie den Kopf an Ronans Schulter und sog seinen Duft nach Herbstlaub und reifen Rekaräpfeln ein. Er vertrieb die Sehnsucht nach Weihrauch.
Ronan zog sie an sich, einen Augenblick später spürte siewarme Lippen auf ihren. Sie schlang die Arme um die Brust des Musikanten und erwiderte den Kuss hingebungsvoll. In den letzten Mondumläufen hatte Ronan sie mit seiner Magie, seinen Gesängen und auch mit seinem Körper mehr als einmal getröstet – und Sanara hatte diesen Trost dankbar angenommen. Auch jetzt verbannten seine Lippen und die Nähe seiner dunkelroten Magie alles Grün, alles Eis aus ihr, und ließen sie für einen Moment vergessen, welche Anziehungskraft das golden leuchtende Grün jungen Laubs auf sie ausübte.
In dem Wunsch, auch die letzten Reste einer Erinnerung an den Fürsten aus ihrem Kopf zu treiben, schwang Sanara sich nun mit einem Ruck und ohne ihn loszulassen rittlings auf seinen Schoß. Ronan unterbrach seinen Kuss, um leise zu lachen.
»Fürst Norandar muss dich sehr geärgert haben«, murmelte der Musikant. Seine Hände krochen langsam unter ihr Hemd und glitten ihren Rücken hinauf.
Sanara lehnte ihre Stirn gegen seine und strich über die dicken Filzlocken, die ihm bis zur Hüfte über den Rücken fielen. Es war ihr, als umarme sie einen warmen, leuchtenden Herbsttag. »Das hat er. Aber lass uns nicht über ihn reden.«
Ronans Lippen glitten wieder über ihre, während er weiter die Melodie summte. Rote und gelbe Töne tanzten wie Funken um sie beide und schlossen die Welt aus. Sanara genoss seine Nähe und strich dann über seine Wange.
Sein Kuss wurde wieder inniger, und Sanara schloss die Augen. Kurz durchzuckte sie der Gedanke, sie täte es, um nicht länger die Frage in seinen braunen Augen sehen zu müssen, die Frage, die sie sich selbst stellte: Ließ sie die Nähe zu ihm nur zu, um so nicht länger an den Fürsten von Norad denken zu müssen?
Sanara verdrängte den Gedanken. Sie schob sich noch ein wenig näher an Ronan heran, schloss die Arme um ihn und überließ sich ganz dem Musikanten.
Wie lange willst du noch zusehen?
Ronan hielt in der Melodie, die er sang, nicht inne, doch seine Hand glitt schützend auf die Wange der schlafenden Frau, als ihn dieser Gedanke erreichte.
Ihr solltet mich hier nicht aufsuchen, Königin.
Du siehst selbst, dass der Fürst keine Skrupel hat. Er wird nicht ruhen, ehe nicht jede Flamme in Sanara Amadians Seele von Wind und Eis durchzogen ist.
Ronan lachte leise, ohne den wortlosen Gesang zu unterbrechen. Er kann es versuchen. Aber meine Macht ist stärker. Der Tod, den Syth einst den Kindern des Dunkelmonds schenkte, siegt letzten Endes auch über das Volk des Vanar.
Du bist zu sorglos. Der Fürst von Norad darf nicht siegen. Die Seele Sanara Amadians muss rein bleiben.
Ronan warf einen Blick in die dunkle Nische des Gemachs, wo das Seelenbild der Königin stand. An den Rändern zerfransten ihre Gewänder in winzigen, dünnen Nebelschwaden. Das Gesicht war
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