Goldmond
fluchte in sich hinein. Sie hätte es wissen müssen. Der Fürst von Norad war ein zu erfahrener Kämpfer, als dass er sich gestattet hätte, sich nur auf seinen Blick zu verlassen. Er hatte geahnt, was sie vorhatte, wirbelte nun herum und das daikon , das er in der Rechten hielt, kam auf sie zugepfiffen.
Mit einem wütenden Ausruf duckte sich Sanara unter der Klinge weg und warf gleichzeitig das Langschwert fort, mit dem sie gekämpft hatte. Dann zerrte sie das wakon hervor, das sie im Gürtel trug. Für den Bruchteil einer Sekunde nur wankte der Fürst, von ihrer Reaktion überrascht, doch das war Sanara genug. Sie stürzte nach vorn, warf sich gegen ihn und musste sich selbst bremsen, um ihm das Messer nicht in die Leiste zu stoßen.
Überrascht blieb er stehen, als er die Spitze der kurzen Klinge an seinem Bein spürte.
»Nun, mein Fürst?«, fragte Sanara angriffslustig. Sie richtete sich auf und steckte das Messer wieder an den Gürtel. »Seid froh, dass dies nur ein Übungskampf ist. Sonst hätte die Klinge zweifelsohne eine Eurer lebenswichtigsten Adern durchstoßen!«
Telarion starrte sie mit einem Blick an, den Sanara vor wenigen Zehntagen noch fremd genannt hätte, den sie nun aber als das erkannte, was er war. Er drückte Befremden aus, aber auch kalten Zorn darüber, dass sie sich nicht an die Regeln hielt, die er aufgestellt hatte.
Es war ihr egal.
Sie schnaubte und stieß ihr wakon zurück in den Gürtel. Der Fürst war selbst schuld, er hatte darauf bestanden, sie nicht nur in Windmagie oder in den Worten zu unterrichten, die die Gabe des Lebens zähmten. Er hatte trotz Sanaras Hinweisen, sie wisse sich ihrer Haut sehr wohl zu wehren, sollte es auf der Reise zu Angriffen kommen, darauf bestanden, ihr auch Unterricht im Schwertkampf zu erteilen. Es ärgerte Sanara maßlos, dass er offenbar befürchtete, den Beschützer für sie spielen zu müssen, wo sie doch mit einem Messer hervorragend umgehen konnte – wenn auch nicht auf die Art und Weise, wie wohl adlige Elben das Kämpfen lernten.
Sie selbst hatte die Kunst, sich auch gegen mehrere Angreifer zur Wehr zu setzen, von Pakan erlernt, einem Mann, der in Guzarat mit Traumbeerensaft handelte. Sie hatte einige Zeit bei ihm gelebt, weil selbst Sinan sie nicht mehr hatte schützen können. Als sie nach dem Massaker an ihrer Familie und ihrer Flucht aus dem Kloster des Abends nach Guzarat gekommen waren, hatte Sinan eine Weile versucht, sich und seine Schwester durchzubringen, indem er als Schmied arbeitete. Doch er war zu jung gewesen, um sie, ein halbwüchsiges Mädchen, wirklich zu behüten.
Sanara war bald klar geworden, dass sie Freiwild für alle Männer der Schänken geworden wäre, hätte sie sich keinen Beschützer gesucht. Sie hatte ihn in Pakan gefunden, der eine Straßenbande anführte. Dort hatte sie nicht nur vorübergehend Schutz gefunden – sie hatte auch gelernt, wie man sich gegen aufdringliche Freier zur Wehr setzte.
Oder gegen den Angriff eines Elbenfürsten.
»Gegen den heimtückischen Angriff eines Straßenbanditen hätte wohl keiner der Schöpfergeister mich schützen können, Mendari«, sagte er jetzt aufgebracht und stieß das daikon in die Scheide, die er in der Schärpe trug.
»Wozu sind wir dann hier, Fürst?«, rief Sanara ungeduldig. »Fürchtet Ihr denn immer noch, Euresgleichen könnte Euch miteiner Straßendirne erwischen? Haltet Ihr Euch immer noch mit dieser Vorstellung auf?«
Er stieß einen verächtlichen Laut aus. »Als ob mir an der Meinung eines Larondar-Elben gelegen wäre. Doch darum geht es nicht. Was ist, wenn ich getötet werde? Dann müsst Ihr es allein versuchen – und dann werde ich nicht da sein, um Euch zu beschützen.«
»Ihr habt gerade gesehen, dass ich mich auch gegen Elben zu wehren weiß«, gab Sanara zurück und begab sich zum Rand des Kampfplatzes, wo eine Schüssel mit Wasser und Tücher zur Erfrischung bereitstanden.
»Ihr scheint zu glauben, es würde einfach, gleichzeitig magische Handlungen zu begehen und eine derart anstrengende Reise zu unternehmen« rief er erbost. »Offenbar sind Euch die Schwierigkeiten unserer Aufgabe nicht bewusst!«
Sanara wandte sich nicht einmal um. »Oh, der Schwierigkeiten bin ich mir sehr wohl bewusst«, erwiderte sie. »Aber ich halte nichts von Eurer Herangehensweise.«
Er schnaubte. »Es scheint mir, als sei Euch mehr daran gelegen, mir kindlichen Trotz entgegenzubringen, als zu lernen, was ich für wichtig halte«, knurrte er.
Auf einmal
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