Goldmond
ließ sich treiben. Er genoss es, das Schimpfen, das Lachen, den Gesang, die Rufe zu hören, die zwischen den mehrstöckigen braunen Häusern erklangen. Er genoss den Anblick der bunten Stoffe der Seidenhändler und das Glitzern der Gold- und Messingwaren, die Gerüche der Gewürze und Kräuter, die auf den Märkten feilgeboten wurden, den Rauch von Eintöpfen über Schwarzsteinfeuer und den süßen schweren Duft von Wein aus den Schänken. Er lachte sogar leise, als direkt vor ihm ein kurzer Wasserfall von einer der Dachterrassen niederging. Er sah auf, konnte aber nichts erkennen. Wahrscheinlich hatte eine Hausfrau das Waschwasser ausgeleert und dabei einfach über die spitzen Zinnen aus Maßwerk gekippt, die das Dach des Hauses krönten.
Das erste Mal seit langer Zeit hatte er das Gefühl, an einem Ort wirklich angekommen zu sein. Und – was ihm die Stadt sogleich als einen der liebenswertesten Plätze erscheinen ließ, die er je gesehen hatte – es schien hier nur wenige Elben zu geben. Kaum eines der Wesen, die ihm begegneten, die ihn anstießen, ihm zulächelten oder die ihn als dummen Nomaden beschimpften, wenn er sie anrempelte, weil er seine Augen auf etwas anderes richtete, gehörte dem Volk des Goldmonds an.
Selten begegnete ihm eine Person, die er gleich als Kind des Vanar hätte einordnen können. Immer waren zumindest die Haare vielfarbig und geflochten, die Haut dunkel und gefleckt, die Augen gelb bis braun. Nie vermittelten die Wesen, auf die er traf, Angst oder Kälte. Oder die Feuchtigkeit eines Wassermagiers. Auch wenn er bisweilen bemerkte, dass sie die Haare lang und glatt trugen oder blaue und grüne Augen besaßen.
Die Gassen waren nach oben offen und ließen zwischen Lampionketten und bunter Wäsche, die man frisch gewaschen zwischen den Häusern aufgehängt hatte, den Blick auf den völlig klaren, fliederfarbenen Himmel zu. Und doch waren die erdfarbenen Ziegelbauten so eng aneinandergebaut, dass sich Sinan zwischen ihnen geborgen fühlte.
Die Erde, aus denen man die Ziegel gebrannt hatte, waren mit weißer und cremefarbener Farbe bemalt, die Fenster hatten alle möglichen Formen, waren allerdings meist spitzbogenförmig und mit Maßwerk geschlossen, sodass wohl ein ständiger Luftzug des Wüstenwinds durch die Räume ging. Hinter den Fenstern sah Sinan Seidentücher, die in allen Farben schimmerten und in der steten Brise flatterten. So dicht schmiegten sich die würfelförmigen Häuser aneinander, dass sie sich über Sinan zusammenzuschließen schienen. Sinan fühlte sich von den gelegentlichen Sonnenstrahlen, die durch die Lücken in Wäsche und Häusern auf ihn niederfielen, gewärmt und vom Element Erde umschlossen, mehr noch, als das je in einer anderen Stadt der Fall gewesen war, in der er sich aufgehalten hatte.
Er dachte an Guzarat zurück, der Hafenstadt am Ufer des Saphirmeeres, wo er lange gelebt hatte, und auch an Kharisar, die Stadt in der Grassteppe des Nordens. Auch in Guzarat hatte es dichte Häuser gegeben, doch am Ufer des Meeres hatte es keine Notwendigkeit gegeben, diese so eng aneinanderzubauen. Zwar fielen die Hänge der Berge zum Wasser hin steil ab, doch das hatte die Guzari nie davon abgehalten, viele Häuser zu bauen, die – sah man aus einiger Entfernung darauf – so wirkten, als wären sie wie zufällig den Hang der Hochebene zum Meer hinabgepurzelt. Man musste klettern, viele Treppen steigen, um von einer Straße in die andere zu gelangen. Doch die Häuser waren dank des Reichtums der Händler groß und weit gewesen, strahlend weiß und blau wie das Saphirmeer selbst. Es gehörte zum guten Ton, ein Stück Garten zu besitzen, das einen Blick aufs Meer bot.
So wie das Haus, in dem Sinan aufgewachsen war. Es befand sich zwar auf der anderen Seite der Hafenbucht, und er hatte, um die ankommenden Handelsschiffe in den Hafen von Guzarat einlaufen zu sehen, unzählige Stufen zum Strand hinunterlaufen müssen, doch das hatte er gern getan.
Kharisar war anders gewesen und doch auch schön. Die geschwungenen, mit glänzenden roten Ziegeln und kunstvoll verzierten Dachsparren versehenen Häuser waren einstöckig, die Straßen wenn auch eng, so trotz einer hohen Stadtmauer doch lange nicht so behütend wie die, durch die er jetzt schritt.
In Kharisar und Guzarat hatte es zwar hauptsächlich Menschen gegeben, aber auch viele Elben, Händler, Goldmagier, Seefahrer aus Nisan und Obstbauern aus Larondar und Mundess. Auch in Kharisar hatten sowohl Kinder des Akusu als
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