Goldmond
auch das Volk des Vanar gelebt, wenngleich sich in Kharisar weniger Händler befanden, sondern viele Jäger aus Kantis und so mancher Wassermagier aus Hellor.
In Bandothi, der Stadt der Elbenkönige am Südhang des nördlichen Loranon, war das anders gewesen. Sinan hatte die Stadt gehasst. Dort waren die Kinder des Goldmonds zwar nicht in der Überzahl. Dennoch hatten sie im Gegensatz zu Guzarat oder Kharisar die Oberhand und das Sagen in der Stadt. Ein Dunkelmagier konnte kaum einen Schritt gehen, ohne auf einen Elbenherrn zu treffen, dem er dank der Gesetze der Königsbrüder seine Ehrerbietung zu erweisen hatte.
Doch hier war dies anders, und Sinan schätzte Farokant schon jetzt dafür, dass er hier kaum auf diejenigen traf, mit denen er zeitlebens so schlechte Erfahrungen gemacht hatte. Niemand schien hier verächtlich auf ihn herabzublicken, keiner sah ihn schief an oder schaute ihm in der Hoffnung hinterher, er möge einen Händel anfangen.
Sinan trug ein langes Gewand, eines, das ihm die Nomaden überlassen hatten und das sie jibahan nannten. Mit ihm fiel er nicht auf. Es bestand aus grobgewebter Wolle und hatte die dunklen, erdigen Farben, mit denen hier in Solife alles gefärbt schien – begonnen bei der Haut der Menschen bis hin zu den Häusern und Gewändern.
Sinan hatte sich von den Nomaden vorerst getrennt. Sie, die die meiste Zeit ihres Lebens damit verbrachten, durch die Wüste zu reisen, mochten die Städte nicht, auch wenn sie ihre Waren –Wolle und Leder aus Entarat und Pflanzenfaserstoffe aus Mundess und Undori – hier zu verkaufen trachteten. Sinan hatte sich ihnen trotz aller Bitten Adhasars nicht anschließen wollen. Und doch wollte er die gute Behandlung und freundliche Pflege nicht unvergolten lassen. Er hatte sich das Werkzeug und die beschädigten Metallwaren geben lassen und versprochen, die Gegenstände in Farokant zu reparieren. Er wollte es mit all der Magie tun, die ihm zur Verfügung stand, sodass auch auf dem letzten Löffel und dem kleinsten Hammer der Segen des Dunkelmonds liegen würde.
Adhasar hatte ihm beschrieben, wo in der Stadt sich die Schmieden befanden, dort wollte Sinan hin, um sich bei einer von ihnen zu verdingen, besaß er doch nur noch seinen Sickenhammer. Aber vielleicht suchte eine der Schmieden ja einen von Akusu gesegneten Schmied, wo er eine Zeitlang nicht nur würde arbeiten, sondern auch wohnen können. Und noch eines war wichtig: Er suchte einen Ort, an dem er das daikon , das er unter dem jibahan an der Hüfte trug, vollenden konnte.
Seit er in der Wüste erwacht war, hatte er zusehends an Kraft gewonnen. Auch die Heilung seiner Hand war mittlerweile so weit fortgeschritten, dass er durchaus die Hoffnung hegen durfte, sie dereinst wieder verwenden zu können. Auch wenn die Gelenke noch ein wenig steif waren und bei Belastung zu schnell aufgaben. Mohdavat hatte Sinan immer wieder ermutigt, die Hand zu bewegen, und ihm sogar einige Übungen gezeigt, die die Gelenke und die Sehnen, die das Schwert des Heermeisters durchtrennt hatten, stärken sollten.
Und doch hatte er die Nomaden verlassen, ohne sich von der Heilerin zu verabschieden. Einerseits bedauerte er das. Er bewunderte seine Pflegerin nicht nur, weil sie ihm die Kraft seiner Hand erhalten hatte, sondern auch dafür, wie sie das Leben ertrug, das ihre Eltern ihr gegeben hatten. Doch er konnte nicht anders. So sehr er zu schätzen wusste, was sie für ihn getan hatte, so verachtete er doch noch immer die Heilmagie in ihr. Er wusste,es war undankbar, er hatte sie damit verletzt, und doch hatte er die Schauder, die er empfand, wenn sie sich ihm näherte, nicht verwinden können.
Auch jetzt versteckte Sinan seine Schmiedehand in den weiten Falten des jibahan , drehte sie, um das Gelenk zu üben und zu stärken, und ballte die Finger immer wieder zu einer Faust. Er wollte nicht, dass es jemand sah und dann glauben mochte, der Fremde mit dem hellen Haar der Menschen aus Guzar sei auf Streit aus.
Sinan wusste nicht, wie lange er durch die Gassen Farokants gewandert und die Menschenmenge und den Stadtlärm genossen hatte. Doch es wurde langsam dunkel, die Rote Stunde hatte bereits begonnen. Lampions aus der Seide von Moruskäfern begannen über den Gassen und hinter den Maßwerkfenstern der Häuser zu leuchten und verbreiteten roten, gelben und rosenfarbenen Schein. Zu Sinans Erstaunen waren auch violette Laternen darunter, viele sogar. In Guzarat und Kharisar, besonders aber in Bandothi, hatte man
Weitere Kostenlose Bücher