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Goldmond

Goldmond

Titel: Goldmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Picard
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die Geister der Toten.«
    Der Lehrling seufzte, als Niavash die Klinge aus der Glut zog und wieder vor ihn auf den Amboss legte. »Schlag zu. Das Werkstück darf nicht erkalten.«
    Der Junge gehorchte, doch Sinan sah seiner Miene an, dass seine Gedanken anderswo weilten. Als Niavash den Stahl erneut in die Esse legte, stellte der Junge wieder eine Frage. »Kennst du die Gesänge der Schmiede?«
    »Nein«, sagte Niavash nach einer Pause. »Den Tempel desAbends gibt es nicht mehr. Man erzählt sich, dass einst die Elben unter König Tarind kamen. Sie töteten die Shisans und alle, die dort lebten.«
    Der Junge schwieg. »Ich würde diese Gesänge gerne kennen«, murmelte er.
    Sinan trat hinter dem Balken hervor, wo er gestanden und die beiden beobachtet hatte. »Ich könnte sie dir und deinem Meister vielleicht beibringen«, sagte er.
    Niavash sah überrascht auf und musterte Sinan neugierig.
    »Sieh an, ein Fremder hat uns belauscht«, sagte er, doch es klang nicht unfreundlich.
    Sinan breitete die Hände aus und senkte kurz den Kopf. »Verzeih mir. Ich bin in der Tat ein Fremder für euch. Ich komme aus …«
    »Du bist aus Guzar, nicht wahr?«, sagte Niavash ruhig. »Das sieht man dir an, auch wenn du mir ein wenig blass erscheinst für einen, der hier durch die Wüsten und Steppen zieht. Es sieht aus, als wärst du lange im Norden gewesen.«
    Sinan wusste, es handelte sich sowohl um eine Feststellung als auch um eine Frage an jemanden, der einfach auftauchte und einen Schmied ansprach. Er überlegte kurz, was er über sich preisgeben konnte, dann nickte er. »Das ist wahr, ich … stand lange in Diensten der Elbenherren von Bandothi.«
    »Ein Sklave der Elben«, sagte Niavash, schob seinen Lehrling sanft beiseite und begann selbst, die rot glühende Klinge des Erntemessers mit kräftigen Schlägen auszuschmieden. »Und nun bist du hier in Farokant«, fuhr er fort, ohne Sinan anzusehen. »Wenn du, wie du sagst, die Gesänge der Alten kennst, hat dich der Herr von Bathkor sicher nicht gern gehen lassen.«
    Sinan straffte sich und sah sich verstohlen um. Dass man ihn so schnell als Flüchtling der Elben und als ehemaligen Sklaven erkannte, war ihm unangenehm. Er hatte bei seiner Wanderung durch die Stadt nicht den Eindruck gewonnen, dass Elben hier hoch angesehen waren, doch vielleicht zogen sie sich tagsüberzurück. Elben hassten die Hitze des Tages und bevorzugten die Nacht, in der es kühler war, zumal in einer Wüstenstadt. Vielleicht hatte er deshalb so wenige gesehen. Und den Worten des Schmieds war nicht zu entnehmen, auf welcher Seite er stand.
    Ein leises Lachen verstärkte Sinans Unbehagen.
    »Hab keine Furcht«, sagte Niavash zu seiner Überraschung. »Hier gibt es nur wenige Elben. Einige Händler, die nach Steinöl und Schwarzsteinen suchen, nach Juwelen, die sie an den Höfen von Darkod und Bandothi verkaufen können. Doch wie du dir denken kannst, sind diese Händler, die übrigens meist aus den heißen Wäldern von Mundess oder den Sümpfen von Hellor stammen, bei den Luft- und Wassermagiern von Norad und Nisan nicht sonderlich angesehen. – Dies hier ist eine Menschenstadt«, fuhr er fort. »Ein ehemaliger Sklave hat hier nichts zu befürchten.«
    Sinan schwieg eine Weile, während Niavash das Erntemesser vollendete. Der Lehrling stand daneben und warf Sinan verstohlen neugierige Blicke zu.
    Sinan überlegte, ob er gehen solle. Doch aus irgendeinem Grund blieb er stehen und sah Niavash mit einem gewissen Neid dabei zu, wie dieser seiner Arbeit – die auch einmal seine gewesen war – nachging.
    Schließlich tauchte Niavash die fertige Klinge in das Steinöl. Es zischte und krachte laut, dann breitete sich dicker Qualm und der Gestank nach verbranntem und heißem Öl aus. Unwillkürlich schloss Sinan die Augen und atmete den Geruch tief ein.
    Wieder erklang leises, heiteres Lachen. Es vertrieb ein wenig des Unbehagens aus Sinan, das bei den Worten Niavashs in ihm aufgekommen war.
    »Sollte ich noch Zweifel daran gehabt haben, wer du bist, so sind sie nun verschwunden. Nur ein Schmied könnte diesen Gestank aushalten und auch noch genießen!«
    Unwillkürlich lächelte Sinan. »Das ist wahr. Ich gestehe, dass ich diesen Geruch schon eine Weile nicht mehr in der Nase hatte.«
    Mit einem Seitenblick auf Niavash meldete sich nun wieder der Lehrling zu Wort. »Du sagtest, du kennst die Lieder, die den Werkstücken Magie verleihen?«
    »Ja«, sagte Sinan eher zu Niavash als dem Jungen. »Ob du es glaubst

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