Goldmond
persönlich ausgewählt.«
Der Hellora spuckte aus. »Ich habe es selbst gesehen! Eine Gestalt aus Schatten, aus Nebel, düster wie Qualm und genauso zerfetzt! Ein grausiges Gespenst des Todes, mit Augen, die glühten wie die Feuer des Syth selbst – rotviolett! Es schlich sich in das ethandin der Königin!«
Githalad sah den Mann verblüfft an, aber auch beunruhigt. Wieder hatte jemand behauptet, einen Geist zu sehen. Diese Gerüchte machten seit Wochen alle im Lager verrückt – und es schien, als würden diese Sichtungen vor keinem Halt machen, weder vor Elben noch vor dem Volk des jüngeren Monds. Dass es nun wieder geschah, machte die Situation nicht besser.
Der Hauptmann schien ähnliches zu denken. »Ein Geist, der sich in das Zelt der Königin schleicht!«, schnaubte er. »Glaubst du, wenn es so wäre, würde diese Nebelgestalt sich von einem wie dir erwischen lassen? Geh und bring die Sklaven zurück in ihren Pferch und schwatze keinen Unsinn.«
»Aber …«, wollte der Mann aufbegehren.
»Ich habe dir einen Befehl gegeben!«, bellte Dikelewi. »Befolge ihn gefälligst, oder ich sorge dafür, dass du zum Nachtdienst am Sklavenpferch eingeteilt wirst. Wenn du schon hier Geister siehst, kannst du dir sicher vorstellen, wie viele du dann erst zu sehen bekommst! Was die Herrin Ireti angeht, werde ich michselbst vergewissern, ob es ihr gutgeht. Na los! – Halt, Schmied, du bleibst!«
Githalad gehorchte und versuchte, sich sein wachsendes Unbehagen nicht anmerken zu lassen. Zumindest war er nach einem Blick überzeugt, dass wenigstens Aedan und seine anderen Helfer mehr oder weniger unbeschadet in ihre Hütten zurückkamen.
»Was kann ich für dich tun?«, fragte er und breitete ehrerbietig die Handflächen vor sich aus.
Dikelewi musterte den Schmied. »Wir beide werden jetzt in das ethandin der Trauer gehen und niemand Geringerem als der Königin persönlich sagen, wer diesen Aufruhr hier angezettelt hat. Du wirst ihr Rede und Antwort stehen! Ich weiß nicht, wie du es angestellt hast, Kilam so durcheinanderzubringen – oder ob einer deiner Helfer es tat –, doch das ist mir gleichgültig. Du bist der Schmied und trägst die Verantwortung auch für deine Handlanger.«
Githalads Augen weiteten sich. Es war eine Sache zu glauben, Geister und Dschinne gehörten ins Reich der Legenden, aber eine ganz andere, diese Ansicht einer elbischen Königin gegenüber zu vertreten.
Oder vielleicht sogar – glaubte man dem Soldaten Kilam –einem von Angesicht zu Angesicht gegenüberzutreten. »Wozu? Du hast deinem Soldaten gerade selbst …«
»Widersprich mir nicht!«, zischte der Hauptmann. Er packte Githalad erneut im Nacken und riss ihn zu sich heran. Da der Schmied keine Tunika trug, nur ein Lederwams, strömte die feuchte Kälte des Elbs ungehindert in ihn über. Githalad keuchte auf, als sein Blut im Nacken gefror und sich schwerfällig wie zerstoßenes Eis durch seine Adern zu wälzen begann.
Dikelewis Gesicht blieb reglos, als er begann, nun auch dem Schmied Kraft zu stehlen. Seine Augen glommen in dem Feuer auf, das er Githalad entzog. »Natürlich habe ich Kilam gesagt, er schwatze Unsinn. Aber du und ich, wir wissen, dass die Seelenherren eures Volkes Geister erschaffen können. Und dass sie imLager umgehen, seit dieser Schmied und seine Gefährten fliehen konnten! Ich sage dir, wäre der Fürst von Norad noch hier, der ein Meister des Lebens ist, würden sie das nicht wagen.«
»Was hätte das eine mit dem anderen zu tun?«, wollte Githalad wissen und versuchte, sich aus dem Griff des Hauptmanns zu befreien. Es gelang ihm nicht.
Dikelewi schnaubte. »Ich bin sicher, dass sie des Nachts zurückkehren und versuchen, die Königin zu töten. So, wie sie auch unseren König vernichteten!«
»Ich dachte, der Zwilling des Königs hätte seinen Bruder getötet!«, entfuhr es Githalad.
Dikelewi zerrte ihn am Sarkophag vorbei. Der Schmied stolperte, weil der Elb ihm bereits viel von seiner Kraft genommen hatte; er musste sich konzentrieren, um nicht zu fallen. Doch bei Githalads Ausruf blieb er stehen.
»Das hat er. Es heißt, dass Fürst Telarion den König tötete, weil dieser entdeckt habe, dass eine Dunkelhexe sich in das Herz des königlichen Zwillings geschlichen hatte und es ihm stahl. Doch das würde ein so großer Heiler wie Telarion Norandar nie zulassen!« Dikelewi ging weiter und zog Githalad hinter sich her. »Elbische Lebensmagie ist der dunklen immer überlegen, und keiner wusste mit der
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