Goldrausch in Bozen - Kriminalroman
und räumst auf, was di Cesares Männer durcheinandergebracht haben. Und danach hilfst du Simone beim Putzen. In der nächsten Zeit werden wir auf Abstand gehen. Zumindest so lange, bis die Polizei ihren Fall abgeschlossen hat.«
Wortlos drehte Ferrari sich um und schlich wie ein geprügelter Straßenköter in die Küche. Unter Christines magischer Anziehungskraft hatte er jegliche Selbstachtung verloren.
28
Bozen, Mittwoch, 2. Mai
Innerhofer und sein Mandant hatten nach intensiver Zwiesprache Vincenzos Vorschlag zugestimmt. Der Commissario konnte nicht begreifen, was es da lange zu diskutieren gegeben hatte. Sein Plan war Kofers einzige Möglichkeit, sich zu entlasten – allerdings konnte er ihn im Gegenteil ebenso gut belasten. Mittlerweile hatte er von Reiterer erfahren, dass auf dem nachgemachten Schlüssel der Burg Reifenstein keine verwertbaren Fingerabdrücke gefunden worden waren.
Vincenzo zog seine Jacke über. Er hatte sich mit seinen Kollegen und di Cesare in ihrer Lieblingsbar verabredet, um bei einem Espresso die Aufgaben des Tages zu verteilen. Er schlenderte die Viale Druso entlang. Es schien, als wollte der Frühling einfach nicht zurückkommen. Es regnete zwar nicht, aber es waren kaum mehr als zehn Grad. Ein eisiger Wind pfiff von den Höhen herab. Der Nordföhn. Immerhin hatten sie klare Sicht, die wattigen Wolken zogen Richtung Süden und lösten sich dabei mehr und mehr auf. Am Alpenhauptkamm hing wieder eine Kaltfront fest, die über die hohen Gipfel vorzudringen versuchte. Im Pflerschtal schneite es bestimmt wieder. Eine fürchterliche Vorstellung, heute wieder dorthin fahren zu müssen. Ohne seinen Fall hätte er ein paar Tage freigenommen und Gianna vorgeschlagen, ans Mittelmeer zu fahren. Bis dorthin schaffte es die Kälte normalerweise nicht. Der Wetterbericht meldete fünfundzwanzig Grad an der ligurischen Küste. Der Kurztrip wäre eine willkommene Gelegenheit gewesen, in schöner Umgebung und auf neutralem Boden darüber zu sprechen, wie es weitergehen sollte. Die Atmosphäre zwischen ihnen war mittlerweile deutlich entspannter, aber das Kribbeln fehlte. Das, was ihre Liebe stets ausgezeichnet hatte. Die Anziehungskraft, die Chemie zwischen ihnen. Die Wärme und Frühlingsdüfte des Mittelmeeres wären ideale Begleiter gewesen, um sich als Paar wieder anzunähern. Wie viele Wochenenden und heiße Liebesnächte hatten sie schon in ihrem Lieblingshotel in Vernazza verbracht? Bei dem Gedanken daran überfiel Vincenzo Wehmut. Hoffentlich kamen diese Zeiten irgendwann zurück. Zeiten der Innigkeit, Vertrautheit, Verliebtheit und Romantik. Er konnte sich nicht vorstellen, das in so einer intensiven Form jemals mit einer anderen Frau zu erleben. Wenn die Akte Goldrausch geschlossen war, würde er seinen Plan in die Tat umsetzen. Gianna musste einfach zustimmen!
Vincenzo betrat die Bar. Marzoli, Mauracher und di Cesare waren bereits da, saßen an einem etwas abseits gelegenen Tisch. In ihrer Unterschiedlichkeit gaben die drei ein originelles Bild ab. Der füllige, gutmütige Marzoli, der einen Teller mit mindestens fünf kleinen Kuchen vor sich stehen hatte und herzhaft in einen davon hineinbiss. Die zierliche, lässige Mauracher in Jeans und Pullover, beides zu groß geraten. Der kernige, muskelstrotzende di Cesare, der erneut nur ein dünnes T-Shirt trug. Missbilligend blickte der Kraftprotz zu Marzoli hinüber. Vincenzo konnte seine Gedanken erraten: Was für ein verfressener Typ. Kein Wunder, dass der so dick ist. Der hält keine hundert Meter durch.
Mauracher schien das alles nichts anzugehen. Gelangweilt beobachtete sie die anderen Gäste. Als sie Vincenzo sah, sprang sie auf und winkte ihm zu. »Hallo, Commissario, hier sind wir!«
Es gab immer wieder Situationen, in denen sich Vincenzo über die Unterschiedlichkeit der Menschen wunderte. Seine drei Kollegen waren ein Musterbeispiel dafür. Sie waren äußerlich und in ihrem Wesen grundverschieden. Nichts verband sie, was als Grundlage einer Freundschaft hätte dienen können, und dennoch war jeder von ihnen ein guter Mensch. Faszinierend.
Marzoli begrüßte seinen Kollegen auf seine Weise. »Commissario, ich sage Ihnen, dieser Marzipankuchen ist ein Gedicht. Zartschmelzend und dabei überhaupt nicht aufdringlich süß. Den müssen Sie einfach probieren.«
»Einen davon«, Vincenzo zeigte dem vorbeieilenden Kellner den Kuchen, »und einen Café doppio.«
Di Cesare war stumm geblieben. Vor ihm stand lediglich ein noch
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