Goldrausch in Bozen - Kriminalroman
Ihnen gleich Luigis Arbeitszimmer und seine Werkstatt. Aber halten Sie bitte die Kinder da raus. Luigi ist immerhin noch ihr Vater.«
Vincenzo nickte, obwohl er ahnte, dass die Kinder schon bald keinen Vater mehr haben würden. Oder einen, den sie im Gefängnis besuchen mussten. Allein die Tatsache, dass er als Augenzeuge einen Mord nicht gemeldet hatte, würde ihm einen Gefängnisaufenthalt bescheren. Dazu kam die Unterschlagung des Fundes. Seine Ehe dürfte angesichts Silvias offenkundiger Gradlinigkeit unwiederbringlich zerrüttet sein. Das Band des Vertrauens zwischen ihnen war zerschnitten. Was für ein Schicksalsschlag für die Kinder. Vincenzo verachtete Luigi Ferrari für sein unverantwortliches Tun.
Nach einer guten Stunde hatten sie das kleine Arbeitszimmer und die Werkstatt im Keller durchsucht, aber nichts gefunden. Doch Vincenzo war von Anfang an nicht davon ausgegangen, dass Ferrari so abgezockt war, eine solche Menge Geld im familiären Zuhause zu verstecken.
Die Kinder hatten sich in ihre Zimmer im Obergeschoss zurückgezogen. Aus einem der Räume drang Musik bis ins Erdgeschoss. Die beiden Beamten saßen mit Silvia Ferrari in der Küche.
Die Frau hatte sich gefangen, wirkte beherrscht. Sogar Kaffee hatte sie ihnen angeboten, nur ganz vereinzelt musste sie sich eine Träne aus einem Augenwinkel wischen. »Ich verstehe nicht, warum Luigi mir nichts davon gesagt hat. Im Oktober hat er erzählt, er wolle mit Markus und ein paar anderen eine Tour machen. Ich habe mir nichts dabei gedacht. Die beiden waren häufig zusammen unterwegs.«
Vincenzo fiel fast die Kaffeetasse aus der Hand. »Wie war das? Ihr Mann war oft mit Markus Pircher unterwegs?«
Silvia sah den Commissario erstaunt an. »Das wussten Sie nicht? Die beiden kennen sich seit ihrer Jugend. Luigi ist zwar ein paar Jahre älter, aber Markus’ Kletterei hat ihn schon immer fasziniert. Er ist bei uns ein und aus gegangen. Mein Mann und er haben gern zusammen Fußball geguckt und dabei einen über den Durst getrunken. Ich kann noch gar nicht fassen, dass er tot sein soll.«
Hatte Ferrari nicht behauptet, Pircher nicht besonders gut zu kennen? Oder war es Alber gewesen? Die Männerfreundschaft war jedenfalls ein interessanter Aspekt. »Sind die beiden auch zusammen klettern gegangen?«
»Sicher, fast jedes Wochenende. Das heißt, seit Luigi im Hotel Christine arbeitet, nicht mehr so oft. Er hat ja immer Wochenenddienste.« Als ihr die Bedeutung ihrer eigenen Worte bewusst wurde, schluchzte sie laut auf, fing sich aber sofort wieder. »Die Tour im Oktober war seit Monaten ihre erste.«
Vincenzo nippte an seinem Kaffee. Er war viel zu schwach. »Kennen Sie Andreas Kofer?«
Silvia nickte. »Natürlich. Dem gehört das Museum in Sterzing. Den kennt jeder bei uns im Tal.«
»Ist Ihr Mann auch mit ihm befreundet?«
Sie winkte ab. »Der Kofer hat keine Freunde. Der hat nur sein Museum im Sinn. Menschen interessieren ihn nicht. Ich hab den noch nie gemocht.«
Vincenzo fragte, ob ein Markus Pircher mit einem allseits unbeliebten Andreas Kofer in die Burg Reifenstein gehen und sich vom ihm in das dortige Verlies abseilen lassen würde, egal ob betrunken oder nicht.
Silvia konnte sich das durchaus vorstellen. Sie hielt Pircher für einen Draufgänger. Ein sympathischer Kerl, aber etwas oberflächlich. Das erste Mal, seit die Polizisten bei Silvia Ferrari waren, huschte so etwas wie ein Lächeln über ihr Gesicht. »Die beiden haben sich kennengelernt, als Luigi seine Lehre gemacht hat. Sein Chef wollte seinen Mitarbeitern etwas Außergewöhnliches bieten und hat einen Bergführer engagiert, was die Mitarbeiter aber nicht wussten. Unter dem Vorwand, eine gemeinsame Schneeschuhwanderung von Sand in Taufers nach Rein zu machen, lockte er seine Leute ins Ahrntal. Als sie einen der großen Wasserfälle erreichten, wurden sie dort von Markus mit Seilen, Hüftsitzgurten, Unmengen an Karabinern, Eisbeilen und Eisschrauben empfangen. Sie sind den zugefrorenen Wasserfall raufgeklettert. Markus soll das alles sehr professionell gemacht, aber dabei auch eine ziemliche Show abgezogen haben. Als Luigi mir davon erzählt hat, habe ich Tränen gelacht. Ich mochte den Burschen.«
Vincenzo war froh, dass Silvia Ferrari kurzzeitig von ihrem Kummer abgelenkt wurde, auch wenn sich ihr Schicksal, das Ende ihres Lebenstraums und der heilen Familie, nicht mehr abwenden ließ. Immerhin wusste Vincenzo jetzt, dass sich Ferrari und Pircher gut gekannt hatten. »Ich hätte
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