Goldrausch in Bozen - Kriminalroman
unberührtes Glas Wasser. Er sprach erst, nachdem Vincenzo die Aufgaben verteilt hatte. Er würde mit Mauracher zu Ferraris Frau fahren. Marzoli sollte di Cesares Team zu Kofers Haus begleiten, um dort scheinbar erneut nach Geld zu suchen. Marzolis gequälter Gesichtsausdruck sprach Bände darüber, was er von der Aufgabenverteilung hielt.
Di Cesare nippte an seinem Wasser. »Was soll das bringen? Wir haben jeden Grashalm umgedreht. Da ist nichts.«
Vincenzo stimmte ihm zu. »Dennoch möchte ich Sie bitten, Ihre Suche wiederaufzunehmen. Möglichst so, dass man sie dabei beobachten kann. Sie, Ispettore, laufen derweil auf und ab, halten sich das Handy ans Ohr. Tun Sie so, als würden Sie telefonieren und hätten etwas sehr Wichtiges zu sagen. Sobald wir mit der Vernehmung von Silvia Ferrari fertig sind, stoßen wir dazu. Dann werde ich euch erzählen, wie es weitergeht.«
Di Cesare hatte skeptisch zugehört. Er mochte es nicht, wenn sein Team für schwachsinnige Aufgaben missbraucht wurde. Doch seine Erfahrung sagte ihm, dass Bellini wusste, was er tat. Er war der Boss, leider. Aber der Commissario war gut, das musste er zugeben. So einer fehlte ihm noch in seinem Team.
* * *
Pflerschtal
Silvia Ferrari reagierte entsetzt. Vincenzo hasste es wie die Pest, unbeteiligten, unschuldigen Menschen Hiobsbotschaften zu überbringen. Dabei war der Verlust eines geliebten Menschen zwar die schlimmste Nachricht, doch auch die Erkenntnis, mit jemandem zusammengelebt zu haben, von dem man jahrelang belogen und getäuscht worden war, musste fürchterlich sein. Von jetzt auf gleich brach eine Welt wie ein Kartenhaus in sich zusammen, das man sich unter Entbehrungen, Streit und Kompromissen mühevoll aufgebaut hatte. Silvia hatte eine Familie, ein schönes Zuhause mit gepflegtem Grundstück und scheinbar einen Mann, der einen guten Job als Koch hatte und genug Geld nach Hause brachte. Der Eindruck einer heilen Welt. Doch dieser Mann hatte seit Jahren eine Affäre mit seiner Chefin. Silvia war unter Tränen zusammengebrochen, als Vincenzo ihr die Wahrheit gesagt hatte. Aber es musste sein. Sein Beruf verlangte es.
»Mein Luigi? Ausgerechnet mit Christine Alber? Aber die ist doch viel älter als ich. Was hat so eine Frau, was ich nicht habe? Ist Luigi deshalb nicht mit zu meinen Eltern gefahren?«
Es war fürchterlich. Die Tränen liefen ihr in Strömen über das Gesicht. Vincenzo hätte sich weniger unbehaglich gefühlt, hätte die Frau wütend herumgeschrien, doch dazu war sie nicht fähig. Sie konnte nur leiden. Auch Sabine Mauracher ging das Schicksal der zarten Frau offensichtlich nahe. Sie setzte sich neben sie und nahm sie in den Arm. Mauracher wusste etwas, was Silvia Ferrari noch nicht wusste. Dass es noch schlimmer kommen würde.
Vincenzo räusperte sich. »Darf ich Sie nach Ihrer finanziellen Situation fragen?«
Silvia Ferrari sah ihn durch ihren Tränenschleier hindurch verständnislos an. »Wieso finanzielle Situation?«, schluchzte sie.
»Sind Sie wohlhabend, haben Sie Schulden?«
Sie schüttelte den Kopf. »Weder noch. Wir sind zufrieden mit dem, was wir haben. Außerdem sind meine Eltern finanziell gut gestellt. Sie würden uns bei Schwierigkeiten unterstützen.«
Arme Silvia, dachte Vincenzo. Du bist zufrieden mit dem, was du hast, aber dein Mann war es nicht. Er berichtete ihr von der Goldgräberexpedition, an der Luigi teilgenommen hatte, und was dabei gefunden worden war. »Insofern beläuft sich der Anteil Ihres Mannes auf eins Komma fünf Millionen Euro. Wir haben das Geld noch nicht gefunden. Haben Sie etwas dagegen, wenn wir uns bei Ihnen mal ein wenig umsehen? Haben Sie vielleicht sogar eine Idee, wo er das Geld versteckt haben könnte?« In weiser Voraussicht hatte Vincenzo davon abgesehen, di Cesares Rambos zu Silvia Ferrari zu schicken. Das hätte ihr den Rest gegeben.
Entgeistert sah sie den Commissario an. »Luigi? Eins Komma fünf Millionen? Das kann doch nur ein Scherz sein.«
»Er hat Ihnen nichts davon erzählt?«
Wieder brach sie in Tränen aus, schüttelte nur stumm den Kopf.
Mauracher drückte die Frau sanft an sich. »Kann sich mein Kollege ein wenig umsehen? Hat Ihr Mann ein Arbeitszimmer? Einen Rückzugsort, eine Werkstatt, was auch immer?«
Als es in diesem Moment an der Haustür klingelte, richtete sich Silvia Ferrari auf, schob Mauracher sanft zur Seite und trocknete ihre Tränen. »Das sind meine Kinder. Sie kommen von der Schule. Wenn ich sie reingelassen habe, zeige ich
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