Goldrausch in Bozen - Kriminalroman
noch das Haus zerlegen. Falls Kofer die Geldscheine eingemauert hat.« Benvenuto di Cesare trug eine Jacke, die sicherlich nicht ihm gehörte, sie war mindestens vier Nummern zu klein für den Koloss. Und das bei sommerlichen plus zwei Grad.
Vincenzo zupfte am Ärmel der Jacke. »Was ist das denn, Commissario? Sie werden doch nicht etwa frieren?«
»Kratzen im Hals«, murmelte di Cesare.
»Wie bitte?«
Di Cesare funkelte Vincenzo wütend an. »Ich sagte, ich habe ein Kratzen im Hals! Und weil ich mir Erkältungen nicht leisten kann, habe ich dieses schreckliche Ding übergezogen.« Er spie das Wort Ding mit dem Ausdruck tiefster Verachtung aus. »Es gehört Abfalterer. Für seinen Geschmack kann ich nichts.«
Abfalterers Jacke spannte überall, die Ärmel endeten zwischen Ellenbogen und Handgelenk. Aus dem Augenwinkel heraus konnte Vincenzo beobachten, dass Mauracher alle Beherrschung aufbringen musste, um nicht laut loszulachen. Ihm selbst ging es nicht anders. Auch Marzolis Mimik verriet Schadenfreude. In diesem Outfit hätte di Cesare leicht erfolgreich in einer Clownnummer auftreten können. Zumindest konnte man ihm in dieser Hinsicht keine übertriebene Eitelkeit nachsagen.
»Ich glaube nicht, dass Kofer das Geld eingemauert hat.« Vincenzo hatte sich bewusst von di Cesare abgewandt. Bei den Muskelbergen in der engen Jacke musste man einfach lachen, aber der Commissario wollte sich nicht über den Kollegen lustig machen. »Sie können mit Ihren Männern jetzt abrücken. Bei Ferrari müssen Sie vorläufig nicht suchen. Ansonsten machen wir weiter wie besprochen. Ist das auch wirklich in Ordnung für Sie, Commissario? Immerhin müssen sich Ihre Männer und Sie dafür eine Nacht um die Ohren schlagen. Dienst nach Vorschrift sieht anders aus.«
Di Cesare antwortete ausdruckslos. »Kein Problem. Schlaflose Nächte gehören nicht zu unseren größten Herausforderungen. Sie geben den Startschuss, dann legen wir los.«
* * *
Sarnthein
»Du und ich in Vernazza. Wie in alten Zeiten. Das hätte doch was, oder?«
Zu seiner Überraschung hatte Vincenzo auf der Rückfahrt nach Bozen eine SMS von Gianna bekommen: »Wie sieht es aus? Hast du Zeit und Lust, heute Abend zu skypen?« Vincenzo war regelrecht euphorisiert. Die ganze Zeit hatte er auf Zeichen oder Signale von ihr gehofft, und die SMS war ein deutliches Signal. Die Frage, ob er Lust hatte, war rhetorisch, und die Zeit hätte er sich genommen, egal was er eigentlich vorgehabt hätte.
Anfangs hatten sie die üblichen Oberflächlichkeiten ausgetauscht. Wie ist das Wetter? Ist es bei euch auch so kalt? Wie geht es deinen Eltern? Und dabei hätte er ihr stattdessen am liebsten gesagt, wie phantastisch sie aussah und dass er sich nichts Schöneres vorstellen könne, als durch das Computerkabel zu kriechen, um sie zu umarmen, zu küssen und ihren Duft einzuatmen. Doch er wusste, dass es dafür noch zu früh war. Das zarte Pflänzchen der Annäherung war noch zu empfindlich. Ein kleiner Fehler, eine kleine Unachtsamkeit, und es wäre sofort wieder zerstört. Also zwang sich Vincenzo zur Selbstbeherrschung. Erst als ihn Gianna nach seinem Fall fragte, hatte er sich zumindest dafür entschieden, ihr seinen Vorschlag zu unterbreiten. Ein gemeinsames Wochenende, wenn der Fall abgeschlossen war. Sein Herz raste, als er die Worte ausgesprochen hatte. Wie würde Gianna reagieren?
Vincenzo war sich sicher, dass sie sogar auf dem Monitor erkennen konnte, wie nervös er war. Noch vor ein paar Wochen hätte das ausgereicht, um sie wütend zu machen und sein Verhalten als Druck zu empfinden, abgesehen davon, dass sie zu diesem Zeitpunkt ohnehin nicht mit ihm geskypt hätte.
Doch diesmal war ihre Reaktion eine andere. »Das ist keine schlechte Idee. Wir dürfen nur nicht den Fehler machen, das Wochenende mit Erwartungen zu überfrachten, zwanghaft Problemgespräche zu führen oder uns mit gegenseitigen Schuldzuweisungen zu überhäufen.«
Vincenzo konnte sein Glück kaum fassen. Er betete, dass sein Plan aufging. Dann wäre es schon am übernächsten Wochenende so weit. Er mit Gianna in Vernazza. Er widerstand dem Impuls, den Monitor zu küssen. »Keine Sorge. Das ist mir völlig bewusst. Mir geht es nur darum, dass wir nach dieser langen Zeit mal wieder unbeschwert und unbekümmert sein können. Ich meine, völlig unbekümmert werden wir zukünftig wahrscheinlich nie mehr sein. Aber wir können am Strand spazieren gehen, den einen oder anderen Weißwein in einer Bar
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