Goldrausch in Bozen - Kriminalroman
trinken, ein gutes Abendessen genießen oder vielleicht ein Picknick am Strand machen. Und was unsere Themen angeht, lassen wir uns einfach treiben. Wenn du das Bedürfnis hast, über die Vergangenheit zu reden, reden wir, wenn nicht, dann nicht. Ich bin mir sicher, dass wir einen großen Schritt weiter sind, wenn wir zurückkommen.«
Gianna sah ihn an, ihren schönen Kommissar. Ihr wurde bewusst, dass sie ihn seit damals zum ersten Mal wieder so sehen konnte: als schönen Kommissar. »Dann melde dich, wenn du den Fall abgeschlossen hast. Ich habe an den nächsten Wochenenden nichts vor. Trotzdem würde ich mich immer noch freuen, wenn du Lorenzo bald kennenlernen würdest. Ich bin mir sicher, ihr hättet euch viel zu erzählen.«
Das war ein kleiner Wermutstropfen. Obwohl Vincenzos Eifersucht längst verraucht war, bescherte ihm der Gedanke an den Anwalt Kopfschmerzen. Er glaubte Gianna, wenn sie sagte, dass sie für ihn nur Freundschaft empfand. Dennoch hatte der Typ nichts in ihrer Wohnung verloren! Er spürte eine unterschwellige Wut in sich aufsteigen, unterdrückte sie aber und versprach Gianna, nach dem gemeinsamen Wochenende in Vernazza Lorenzo kennenzulernen.
29
Bozen, Freitag, 4. Mai
Gut gelaunt war Vincenzo in die Questura gefahren. Das gestrige vielversprechende Gespräch mit Gianna, allein ihr wunderschöner Anblick hatte sein Herz höher schlagen lassen, das hoffentlich nahe Ende des Falles, es gab genug Gründe, um optimistisch zu sein. Zudem schien seit dem Morgen die Sonne von einem wolkenlosen Himmel. Am Vortag hatte es gegen Abend leicht geschneit, und als er heute aufgestanden war, hatten die umliegenden Wiesen und Wälder weiß geschimmert. Eine zarte pittoreske Mischung aus Schnee und Raureif. Das Thermometer auf dem Balkon, der ebenfalls von einer dünnen Schneeschicht überzogen war, hatte minus ein Grad gezeigt – und das im Mai! Aber der Luftdruck stieg kräftig, und bis zum Abend würde der Schnee vollständig verschwunden sein. Beim Verlassen des Hauses hatten die Vögel gezwitschert. Vincenzo liebte die typischen Übergänge der Jahreszeiten. Wenn im Frühling der letzte Schnee fiel, aber die Vögel schon zwitscherten und erste Frühblüher aus dem Boden sprossen. Wurde es Herbst, war es hingegen oft noch mild, aber die Luft roch bereits würzig, und es war totenstill. Dann ließ kein Vogel mehr seinen fröhlichen Gesang erklingen. Brachte der Frühling Tatendrang, Hochgefühle, Energie, so herrschte im Übergang zum Herbst eine besondere Form der Melancholie. Beidem gab sich Vincenzo gern hin.
Sein erster Weg führte ihn zu Paolo Verdi, um sich die »Dolomiten – Tagblatt der Südtiroler« zu sichern. Doch er war zu früh dran, Verdi hatte die Zeitung noch nicht ausgelesen.
Über den Rand seiner Nickelbrille sah er zu dem Commissario auf. »Tut mir leid, Vincenzo. Du weißt ja, die Tageszeitung ist mein Morgenritual. Dazu ein leckerer Kaffee und ein paar Kekse, dann fängt der Tag gut an.«
»Das weiß ich doch, Paolo.« Vincenzo klopfte Verdi freundschaftlich auf die Schulter. »Ich suche auch nur einen ganz bestimmten Artikel. Von Fasciani. Vielleicht kann ich das einzelne Blatt ja mitnehmen?«
Verdi gab Vincenzo die Zeitung. »Gern. Such dir die Seite einfach raus.«
Der Commissario fand den Artikel als Aufmacher auf Seite drei. Er schnappte sich das Blatt, holte sich einen Kaffee und verschwand in seinem Büro. Nachdem er ein paar Cantuccini auf seiner Etagere nachgefüllt hatte, begann er zu lesen. Über dem Beitrag thronte ein großes Foto, das Vincenzo mit Genehmigung von Kofer und Innerhofer selbst geschossen hatte. Es zeigte Kofer mit seinem Anwalt auf dem Weg aus der Questura. Das Bild trug den Untertitel: »Andreas K. aus der Untersuchungshaft entlassen« . Seit der Jagd auf das Monster von Bozen, bei der sich Vincenzo und Fasciani kennengelernt hatten, verband die beiden Männer eine strategische Allianz. Vincenzo versorgte den Journalisten mit Informationen aus erster Hand, dafür bedankte sich Fasciani, indem er dem Commissario sein Medium im Rahmen des Vertretbaren für seine Ermittlungen zur Verfügung stellte. Der heutige Beitrag war ein Musterbeispiel ihres kleinen Deals.
Justizpanne
Unschuldiger in Untersuchungshaft
Bozen. Ein möglicher Justizirrtum erschüttert die Staatsanwaltschaft in Bozen: Nach der spektakulären Verhaftung eines Museumsbetreibers aus Sterzing, der des fünffachen Mordes verdächtigt worden ist (»Die Dolomiten« berichtete),
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