Goldrausch in Bozen - Kriminalroman
Kofer kannte er hingegen etwas besser. Das Geld für den Porsche stamme seines Wissens aus einer Erbschaft, doch leider könnten sie ihn nicht persönlich fragen, da er für ein paar Tage verreist sei.
* * *
Die folgenden Wochen verliefen ergebnislos. Vincenzo versuchte, den Vice-Questore davon zu überzeugen, dass es sinnvoll sei, intensiver im Umfeld der bei dem Brand umgekommenen Familie zu ermitteln, doch Dottore Alessandro Baroncini hielt weitergehende Nachforschungen für überflüssig. Für ihn waren die Ergebnisse von Spurensicherung und Gerichtsmedizin eindeutig. Die Befragungen im Tal und bei Hansi mochten vieles bedeuten, lieferten jedoch keinen zwingenden Hinweis auf ein Kapitalverbrechen, das in die Zuständigkeit der Polizia di Stato fiel. »Tut mir leid, aber wir müssen auch an das Geld der Steuerzahler denken. Ich schätze Ihre Intuition, Commissario Bellini. Sie hat uns schon manches Mal weitergeholfen, aber in diesem Fall ist die Sachlage eindeutig. Ich kann keine Fahndung nach Personen ausschreiben, die sich regelmäßig wochenlang in der Weltgeschichte rumtreiben, egal ob sie sich bei irgendwem abmelden oder nicht. Wären sie als vermisst gemeldet, wäre das etwas anderes. Aber so …«, hatte Baroncini versucht, seine Entscheidung zu erklären. Er verfolgte das Prinzip von Offenheit und Transparenz. Natürlich war er es, der seiner Position entsprechend alle wichtigen Entscheidungen traf, aber er begründete sie stets, um die Motivation seiner Mitarbeiter nicht zu untergraben.
Der stärkste Grund, warum Vincenzo sich gern in den Fall verbissen hätte, war jedoch folgender: Er brauchte Ablenkung. Ablenkung von Gianna, die sich nur in größeren Zeitabständen meldete, um sich nach seinem Wohlbefinden zu erkundigen, und dabei nicht wie seine Freundin klang, sondern wie die automatische Zeitansage. Seit Weihnachten hatten sie sich nicht ein einziges Mal getroffen. Insgeheim wünschte sich Vincenzo, dass seine Gefühle im Laufe der Zeit nachlassen würden, damit er sich endgültig von Gianna trennen konnte. Aus den Augen, aus dem Sinn. Doch es funktionierte nicht. Seine Gefühle für sie waren und blieben dieselben wie vor jenem folgenschweren Sonntag im Oktober. Wenn sich Vincenzo einmal mit Leib und Seele auf eine Beziehung eingelassen hatte, waren seine Gefühle beständig. Keine Krise, keine Missstimmung oder Streiterei konnte ihn dann beeinflussen. Er war noch nicht einmal nachtragend. Was für ihn normalerweise eine tiefe innerliche Sicherheit bedeutete, war in der jetzigen Situation jedoch zu einer unvorstellbaren Qual geworden. Er wusste, dass er der Partnerschaft eine zu große Bedeutung in seinem Leben beimaß, und hatte längst akzeptiert, dass dies ein Bestandteil seiner Persönlichkeit war. Bei seiner ersten großen Liebe Teresa war es ihm nicht anders ergangen. Doch diesmal war es noch schlimmer, denn er hatte sich längst für Gianna als die Frau fürs Leben entschieden.
Die Ermittlungen zum Brand auf dem Gamperhof hätten ihn wenigstens tagsüber von seiner depressiven Verstimmung ablenken können, und abends wäre Alkohol ein probates Mittel gewesen, derlei Gefühle zu betäuben. Doch er hatte sich ja gerade angesichts seiner Sinnkrise entschlossen, dem Alkohol vollständig zu entsagen. Trotz des schlechten Schlafs und seiner regelmäßig wiederkehrenden Alpträume zwang er sich, wenigstens zwei Mal in der Woche zu joggen, und trat im März sogar in ein Fitnessstudio ein. Eigentlich verabscheute er Muckibuden und ihre Atmosphäre, aber auf diese Weise kam er unter Leute und tat gleichzeitig etwas für seinen Körper.
Was Gianna anging, so blieb ihm nur eines: Hoffnung.
14
Sterzing, Burg Reifenstein, Montag, 16. April
Irma Patscheider war gut gelaunt. Nach der langen Winterpause durfte sie endlich wieder die Pforten des alten Gemäuers öffnen. Seit einigen Jahren hatte sie sich ganz der Burg auf dem markanten Felsenhügel im oberen Eisacktal bei Sterzing und ihrer Historie verschrieben. Inzwischen lebte sie sogar mit ihrer Familie hier in einer eigens vom Eigentümer, derer von Thurn und Taxis, für sie eingerichteten Wohnung. Die alte Anlage, Castel Tasso, war nur zwischen Mitte April und Ende Oktober für Gäste zugänglich. Täglich bot Patscheider drei bis vier Führungen an. Obwohl es heute wohl noch ruhig bleiben würde, freute sie sich doch auf die erste Führung des Jahres. Immerhin hatten die Eigentümer in letzter Zeit viel in die Erhaltung der Burg
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