Goldrausch in Bozen - Kriminalroman
den dritten Hansi Libre ein. »Vincenzo? Der Name klingt ziemlich bieder, wenn ich das so offen sagen darf. Ist es okay, wenn ich dich Vince nenne?«
Vincenzo glaubte, seinen Ohren nicht zu trauen. Hansi nannte ihn Vince, weil Vincenzo bieder klang? In seinem Leben gab es nur einen Menschen, der ihn so nannte: seine Mutter. Und er hasste es. Der Undercoveragent Vince sah, dass Agentin Sabine all ihre verbliebene Beherrschung aufbringen musste, um nicht schallend loszulachen. Er wollte protestieren, doch Hansi war schon auf dem Weg zum Zapfhahn mit dem Hinweis, sie bräuchten dringend eine neue Maß, die alte sei schließlich schon fast verdunstet.
Der Abend gestaltete sich immer unterhaltsamer. Sie lachten, tranken, und Vincenzo dachte das erste Mal seit Heiligabend nicht mehr ununterbrochen an Gianna, sondern genoss die außergewöhnliche Situation in vollen Zügen. Als der Uhrzeiger sich der Zwei näherte, zog Hansi erneut los, um die Maßkrüge aufzufüllen. Vincenzo beugte sich über den Tisch und lallte: »Sabine, wir … wir müssen allmählich dienstlich werden. Ich weiß nicht, wie lange ich noch Herr meiner Sinne bin. Unfassbar, was Hansi verträgt.«
Mauracher kicherte. »Okay, aber ich bin wirklich gespannt, wie du es schaffen willst, Hansi in diesem Zustand zu profanen Zeugenaussagen zu bewegen. Und das nicht etwa als Commissario, sondern als mein Freund.«
Als Hansi zurückkam, hatte er Mauracher eine weitere Karaffe Wein mitgebracht, ihre dritte. Vincenzo zwang sich zur Konzentration, prostete Hansi zu und nahm einen großen Schluck Helles, um Lockerheit zu demonstrieren. »Du, Hansi, kann ich dir ein paar Fragen stellen?«
Mauracher verdrehte die Augen. »Wie unauffällig«, schien sie sagen zu wollen.
Hansi grinste schelmisch, von den Wirkungen des Alkohols war bei ihm noch keine Spur. »Klar, jederzeit, das gehört schließlich zu meinem Berufsbild. Aber zuerst müsst ihr euch küssen. Mir zuliebe.«
Vincenzo und Mauracher sahen sich entgeistert an, während Hansi in schallendes Gelächter ausbrach. »Nun habt euch nicht so. Wer kostenlos mit Informationen und Hansi Libre versorgt werden will, kann sich auch küssen. Vorher gibt es von mir keine Antworten!«
In Vincenzos benebeltem Hirn fuhren die Gedanken Achterbahn. Auch Maurachers Lockerheit war nicht mehr ganz so authentisch. Was tun? Hansi schien es ernst zu meinen. »Komm Schatz, dann tun wir ihm eben den Gefallen.« Vincenzo versuchte, seiner Stimme einen gewissen Schmalz zu verleihen, was gründlich misslang.
Mauracher beugte sich über den Tisch zu ihrem Vorgesetzten und spitzte ihre Lippen. Vincenzo schloss die Augen und gab der Polizeianwärterin unter Hansis Beifall ein kurzes, eher angedeutetes Küsschen auf die Lippen, nach dem sich Mauracher rasch zurückzog.
Hansi liefen vor Lachen die Tränen hinunter. »So einen Spaß hatte ich seit Ewigkeiten nicht mehr. Mensch, Vince, ich hoffe für euch beide wirklich, dass du nachher im Hotel nicht so schüchtern bist. Ihr seid so ein hübsches Paar, da würde man wirklich etwas mehr Leidenschaft erwarten.« Lachend schlug er sich auf die Schenkel.
Die Vertreter der Polizia di Stato kamen sich vor wie Statisten in einer Komödie.
Plötzlich wurde Hansi ernst. »Okay, ich werde euch jetzt erlösen. Es war eine beeindruckende Show, die ihr da abgezogen habt. Und wenn ihr noch ein bisschen übt, könnt ihr sie demnächst öffentlich aufführen.« Noch einmal lachte er kurz auf. »Aber kommen wir jetzt endlich zur Sache. Ihr seid wegen des Brandes auf dem Gamperhof hier, oder?«
Vincenzo blickte Hansi ungläubig an. »Wie kommst du darauf?«
»Für wie bescheuert haltet ihr mich eigentlich? Glaubt ihr vielleicht allen Ernstes, ich hätte nicht sofort gemerkt, was hier gespielt wird? Auf eurer Stirn steht ein riesiges P.«
Vincenzo und Mauracher sahen Hansi mit offenem Mund an. P?
»Natürlich. P wie Polizei. Ihr dünstet den Beamtengeruch regelrecht aus. Und meint ihr, ich hätte nicht mitgekriegt, wie Sabine ›Commissario‹ zu dir gesagt hat? Da war mir dann klar, dass ihr das zum ersten Mal macht. Köstlich. James Bond ist nichts gegen euch. Und davon abgesehen warst du, Vince, mit deinem ›Monster von Bozen‹ lange genug in der Zeitung präsent. Ja, stell dir vor, wir lesen hier sogar Zeitung. Aber was dein Konterfei in der ›Dolomiten‹ angeht, war ich mir nicht ganz sicher. Wie auch immer, macht euch nichts draus. Ich hatte meinen Spaß und finde euch wirklich klasse.
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