Goldrausch in Bozen - Kriminalroman
Geld?«
Die Beamten nickten, und das Gespräch plätscherte noch etwas dahin. Als Hansi ihnen schließlich ein Taxi rief, war es fast drei Uhr. Die Rückfahrt überstanden sie schweigend, da beiden schlecht war. Erst im Hotel sprach Vincenzo aus, was ihm auf dem Herzen lag. »Sabine, was heute Abend passiert ist, müssen wir schnell wieder vergessen. Und damit meine ich nicht Hansis Hinweise, denen gehen wir natürlich nächste Woche nach. Bitte behalten Sie alles für sich.«
Mauracher lächelte gequält. »Machen Sie sich keine Sorgen, Commissario, Dienst ist Dienst, und Schnaps ist Schnaps. Diesmal sogar ganz wörtlich. Sie können sich auf mich verlassen.«
Mit diesen beruhigenden Worten als Versicherung schlief Vincenzo Minuten später ein, als sein Kopf das Kissen berührte. Doch schon bald kramte sein benebeltes Hirn all jene Erinnerungen wieder hervor, die ihn schon seit Monaten marterten. Im Traum begegnete ihm ein entstellter Massenmörder, der lachend eine Waffe auf Vincenzo richtete. Neben ihm lag Gianna. Tot. Blutüberströmt. Plötzlich schien er orientierungslos inmitten einer bizarren Eiswelt gefangen zu sein. Dann Schreie, die unheimlich von den Eiswänden widerhallten und von überall zu kommen schienen. Nein … nein … nicht …
Wie so oft in letzter Zeit schreckte Vincenzo mitten in der Nacht hoch. Und wieder meinte er, jemanden an seiner Schlafzimmertür stehen zu sehen. Er hörte ihn sogar lachen, ein widerwärtiges, gehässiges Lachen. Es dauerte Sekunden, bis Vincenzo realisierte, dass er erneut von seinem Alptraum heimgesucht worden war. Seit Monaten verging keine Nacht, in der er durchschlafen konnte. Das Mensch gewordene Grauen in Gestalt seiner ersten eigenverantwortlichen Mordfälle hatte ihn fest im Griff. Weder die Selbstmorde in den Tälern noch die Totschläge im Affekt hatten seine noch kurze Laufbahn geprägt, sondern menschlicher Abschaum. Abschaum, den er in der Südtiroler Idylle niemals erwartet hätte. Abschaum, auf den er in seiner Karriere gern verzichtet hätte.
Doch der Alkohol war so gnädig, Vincenzo rasch wieder einschlafen zu lassen, und für den Rest der Nacht blieben die Alpträume aus. Zum Glück.
13
Pflerschtal, Sonntag, 5. Februar
Vincenzo schien die Sonne ins Gesicht. Im Rausch hatte er vergessen, die Rollläden herunterzulassen. Als er sich im Bett aufrichtete, um auf die Uhr zu schauen, trafen ihn die Kopfschmerzen wie Hammerschläge. Ihr Schwerpunkt lag direkt hinter seinen Augen. Zudem hatte er einen widerwärtigen Geschmack von Birne im Mund. Hansi Libre. Die Nachwirkungen eines denkwürdigen Abends.
Vincenzos Uhr mit Höhenmesser zeigte elf Uhr an, fast Mittag. Eigentlich hätte er schon längst wieder in Sarnthein sein wollen, doch stattdessen schleppte er sich stöhnend ins Bad. Kopfschmerztabletten hatte er natürlich zu Hause vergessen. Er stellte sich unter die Dusche und ließ sich minutenlang mit geschlossenen Augen heißes Wasser über Kopf und Körper rieseln. Langsam ließen die Kopfschmerzen etwas nach. Er atmete tief ein, hielt die Luft an. Jetzt kam der Augenblick, der Überwindung erforderte. Abrupt stellte er die Mischbatterie der Dusche auf die kälteste Stufe, erstarrte und atmete dann langsam ein und aus. Als er den Wasserhahn zudrehte, seufzte er kurz auf. Diese Radikalkur musste für die nächsten Stunden reichen.
Mauracher hatte offensichtlich weniger Probleme mit dem Verdauen des Abends gehabt. Als er den kleinen gemeinsamen Wohnbereich betrat, saß sie in einem Sessel und blätterte in einer Illustrierten. Nichts an ihr erinnerte an den vorabendlichen Auftritt. Sie war wieder die unscheinbare Sabine, die Vincenzo aus der Questura kannte. Ungeschminkt, in Jeans und einem Pullover, der mindestens eine Nummer zu groß war. Falls der Abend als seine Geliebte etwas in ihr ausgelöst haben sollte, ließ sie es sich nicht anmerken. »Guten Morgen, Commissario. Ausgeschlafen? Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber mir steht der Sinn nicht wirklich nach Frühstück.«
Das beruhigte Vincenzo. »Mir würde ein Kaffee auch völlig reichen. Und anschließend packen wir zusammen, stellen dem Hotelier noch ein paar Fragen und fahren dann nach Hause.«
Der Hoteldirektor konnte seinen Gästen auch nicht mehr erzählen als Hansi. Er kannte sowohl Sara Gasser als auch Markus Pircher, doch mit keinem von beiden verband ihn besonders viel. Insofern war es ihm nicht aufgefallen, dass sie wie vom Erdboden verschwunden waren. Andreas
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