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Goldrausch in Bozen - Kriminalroman

Goldrausch in Bozen - Kriminalroman

Titel: Goldrausch in Bozen - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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investiert. Die Dächer waren erneuert, eine Trinkwasserleitung verlegt, diverse Sanierungs- und Sicherungsmaßnahmen durchgeführt worden. Auch über ein ausgeklügeltes Alarmsystem verfügte das Gemäuer mittlerweile. Ohne die passenden Schlüssel kam niemand in die Burg, wollte er nicht den Alarm auslösen. Sie schauderte, wenn sie an den einunddreißigsten Oktober des letzten Jahres zurückdachte.
    Sie hatte die letzte Führung gerade beendet, wollte das Haupttor noch hinter den Besuchern schließen, als sie bemerkte, dass der Zentralschlüssel verschwunden war. Panik erfasste sie. Genau das, so hatte es ihr der Eigentümer eingeschärft, durfte niemals passieren! Für Irma Patscheider war es ein wahr gewordener Traum, in einem Gemäuer zu leben, das so viel Geschichte atmete, und den wollte sie unter keinen Umständen aufs Spiel setzen. Den gesamten Rundgang war sie abgeschritten, wieder und wieder, hatte gesucht, aber nichts gefunden. An diesem Abend war sie frustriert ins Bett gegangen, um am nächsten Tag aufs Neue zu suchen, doch vergeblich. Erst Mitte der folgenden Woche hatte sie den Schlüssel im Brunnenhof wiedergefunden. Er lag einfach da, schon von der Treppe aus konnte man ihn sehen. Er musste ihr unbemerkt aus der Tasche gefallen sein. Aber wie hatte sie ihn dort zehn Tage lang nicht bemerken können? War sie so blind gewesen? Sie schüttelte die Fragen ab. Hauptsache, der Schlüssel war wieder aufgetaucht.
    Als Patscheider an diesem Morgen die Pforte öffnete, hatten sich auf der historischen Zugbrücke gerade einmal acht Besucher versammelt. »Grüß Gott, ich freue mich sehr, Sie zu einer ganz besonderen Reise einladen zu dürfen, einer Reise in die Vergangenheit.«
    Sie führte ihre Gäste auf einer großen Runde durch das Gemäuer, erklärte ihnen die lange Besitzgeschichte der Burg, beginnend im elften Jahrhundert mit den vermuteten Erbauern, den Bischöfen von Brixen, über Graf Albert  III . von Tirol, der Deutschordensballei »an der Etsch und im Gebirge«, jene mittelalterliche Provinz des Deutschen Ordens, bis hin zu Alexander Graf von Thurn und Taxis und seinen Nachkommen. Der Rundgang führte durch den mächtigen vierzehn Meter langen, dreigeschossigen Wohnturm mit den noch vollständig erhaltenen Bohlenbalkendecken in den beiden unteren Geschossen, den später errichteten, ebenfalls dreigeschossigen Osttrakt, den Brunnenhof, den spätgotischen Palas, dessen »Grüner Saal« durch die den gesamten Raum überziehenden Malereien bestach, bis hin zum Bergfried. Mit seinen vierundzwanzig Metern stand er an der höchsten Stelle des Burgfelsens und hatte früher ausschließlich der Verteidigung gedient. Zu den Highlights auf Patscheiders Führungen zählte auch das Verlies, ein fünf Meter hoher ebenerdiger Raum ohne jeglichen Lichteinfall. Die Gefangenen waren durch ein darüberliegendes Einstiegsloch in die vollkommene Dunkelheit hinabgelassen worden, bevor der Zugang mit einer schweren Steinplatte verschlossen wurde. Es bedurfte keiner physischen Torturen, um die Opfer in kürzester Zeit in den Wahnsinn zu treiben. Nur denjenigen blieben die Qualen erspart, die ein gnädiges Schicksal vorher erfrieren ließ.
    Patscheider hatte sich vor die schlichte Holzplatte gestellt, die den Kerker heute abdeckte. »Meine Damen und Herren, ich öffne nun das Verlies. Versuchen Sie sich vorzustellen, was es damals hieß, dort gefangen zu sein.« Es folgten Details des menschenverachtenden Kerkers. »Sobald ich die Abdeckung entfernt habe, werde ich mit der Taschenlampe hineinleuchten, damit Sie einen Blick in diesen Ort der totalen Dunkelheit werfen können. Außer diesem Einlass gab es auch damals keinerlei Zugänge. Wer im Kerker saß, war verloren und hatte keine andere Wahl, als regelrecht zu verrecken. Es ist müßig, darüber zu philosophieren, wem es besser erging: dem, der allein in der Finsternis ausharrte, oder demjenigen, der in Gesellschaft von Mitgefangenen war. Allein erfror man binnen kürzester Zeit. Mehr als fünf Grad sind in dem Kerker selten. Zu mehreren konnte man sich zwar gegenseitig wärmen, doch auch diese Gefangenen waren unwiderruflich verloren. Die Mauern sind zwei Meter dick, niemand überlebt dort unten, nicht einmal Insekten.« Wie immer an dieser Stelle hielt Patscheider bedeutungsvoll inne. Niemand sagte etwas, die Besucher waren nur allzu gespannt, was sie zu sehen bekommen würden. »Sesam, öffne dich!«
    Während Patscheider in den Kerker hineinleuchtete, beobachtete

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