Goldrausch in Bozen - Kriminalroman
diverse Ferienwohnungen und Geschäfte, um die er sich kümmern musste, aber die Berge waren seine Welt. Dort war er zu Hause. Diese Eigenschaft verband die vier Menschen, die ansonsten unterschiedlicher kaum sein konnten. Michael Wachtler und Dr. Georg Kandutsch pflegten allerdings trotz ihrer Unterschiede eine enge, über viele Jahre gewachsene Freundschaft.
»Nein«, stimmte Kandutsch seinem Freund zu, »das gehört zu einer Tür, und zwar zu einer sehr alten Tür. Ich denke, unser Ausflug steht ab jetzt unter anderen Vorzeichen.« Als er mit dem Fuß in das Geröll stieß, raschelte es plötzlich. Kandutsch hatte eine Kreuzotter aufgeschreckt, die nur wenige Meter neben ihm unter den Steinen gelegen hatte. Kreuzottern gehören zu den hochgiftigen, aber wenig aggressiven Schlangen. Mit einer Ausnahme ist ihr Biss nicht giftig.
Kandutsch bekam eine Gänsehaut. Er dachte an den schlimmsten Moment in seinem Leben vor dreißig Jahren zurück. Dennoch war seine Erinnerung daran so lebendig, als wäre es erst gestern geschehen. Jutta, seine Frau, hatte ihn als Liebesbeweis auf einer Tour ins Kärntener Dösental in den Hohen Tauern begleitet. Das Tal schloss mit einem der größten Blockgletscher der Alpen. Während Kandutsch damals, angetrieben von den Bergen, ihrer Geschichte und ihren Geheimnissen, am Törlkopf nach Mineralien und Fossilien suchte, hatte sich Jutta auf einer Wiese ins Gras gelegt. »Ich habe keine Lust, wie ein Hündchen hinter dir herzurennen. Geh du ruhig nur allein weiter und such deine Steine. Ich bleibe hier und warte auf dich. Lass dir Zeit.«
Drei Stunden später kam er zurück. Da lag Jutta bereits im Koma. Sie war von einer Kreuzotter gebissen worden, die sich im Gras versteckt hatte. Sie hatte, als wäre Jutta ihre Beute, voll zugebissen und damit zu viel Gift in den Körper ihres Opfers gepumpt. Handys gab es damals noch nicht. Also trug der eher schmächtige Kandutsch panisch seine Frau mit nahezu übermenschlicher Kraft den Berg hinunter ins Tal, fast eintausend Höhenmeter. Im Krankenhaus bekam Jutta das Gegengift. Der behandelnde Arzt hatte Kandutsch damals gesagt, dass sie ohne die Injektion vielleicht noch eine Stunde gehabt hätte. Danach wäre es zu spät gewesen.
Michael Wachtler schien die Gedankengänge seines Freundes zu erraten. »Ist doch damals alles gut gegangen, Georg. Komm, lass uns unsere Zelte aufbauen und dann graben. Wer weiß, was uns unter dem Geröll erwartet.«
Mit bloßen Händen warfen sie das Verschuttmaterial in die Schlucht, Meter für Meter. Bis zum Abend waren sie ein schönes Stück vorangekommen. In der Dämmerung saßen sie erschöpft vor ihren Zelten, tranken Tee und aßen zu Abend.
Wachtler rieb seine aufgerauten Hände. »Ziemlich anstrengend. Ich bin gespannt, wann wir auf etwas Interessantes stoßen und vor allem, auf was.«
Georg Kandutsch stand neben dem großen Blechtopf und nahm sich noch einen Teller Erbsensuppe. »Ich bin mir sicher, dass wir viel für dein Museum finden werden, Michael. Und vielleicht sogar mehr als nur das. Schließlich wissen wir, dass in dieser Gegend vor langer Zeit Gold abgebaut wurde. Warum sollen sich die Reste davon nicht genau unter uns befinden?«
Sara Gasser schüttelte den Kopf. »Unmöglich. Wo soll denn mitten in diesem Geröll ein Stollen sein? Die Geologie des Geländes passt einfach nicht dazu.«
Der alte Bergführer hielt einen Stein in der Hand, den er nachdenklich betrachtete. »Du irrst dich, Sara. Wenn es hier einen Stollen gibt, ist er Hunderte von Jahren alt. Überleg nur mal, wie sich das Klima seitdem verändert hat. Ich glaube, dass hier damals Mineralien abgebaut wurden. Eventuell wurde der Stollen von einer Lawine verschüttet. Es ist keine zehn Jahre her, dass das gesamte Geröllfeld noch unter dickem Gletschereis lag. Es ist wie beim Ötzi. Erst der Klimawandel entreißt den Bergen ihre jahrtausendealten Geheimnisse.«
Zwei Tage lang trugen sie das Geröll ab. Es war Michael Wachtler, der schließlich auf den Stollen stieß, der senkrecht in die Tiefe führte. »Ja!« Vor Freude stieß er einen Schrei aus. »Wir haben ihn gefunden! Freunde, das ist ein historischer Moment!«
»So wie damals in Busson«, sinnierte Georg Kandutsch, »im Fenillaz-Gang, die Speranza. Mein Gott, wie aufregend.«
»Und wie kommen wir da jetzt runter?« Sara Gasser warf einen Blick in das schwarze Nichts. »Das ist doch alles verfault und verfallen. In dieses Loch abzusteigen wäre purer
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