Goldrausch in Bozen - Kriminalroman
Expedition zu gewinnen. »Glaub mir, Alexander, das ist ein Riesending. Danach sind wir alle reich! Dann kannst du dieser verdammten Hütte endlich den Rücken kehren und ein neues Leben anfangen.«
Ein neues Leben anfangen. Der Junge wusste doch gar nicht, wovon er sprach. Thaler wollte schon auflegen, als Pircher sagte, wohin er die Gruppe geldgieriger Goldsucher führen sollte. In diesem Augenblick hatte Thaler gewusst, dass er nach unzähligen Jahren vergeblichen Suchens nun doch zum Ziel finden würde. Es war noch gar nicht lange her, dass er mit den wenigen Freunden, die ihm noch geblieben waren, dort oben gewesen war. Doch er hatte keine Gelegenheit für seine Mission gehabt, die niemand außer ihm kannte. Nicht einmal seine engsten Freunde. Also hatte er Pircher zugesagt. Die zwei Tage bis zum Erreichen des Stollens waren für ihn die Hölle gewesen. All die Eitelkeiten, Oberflächlichkeiten, Wichtigtuereien, sie waren ihm zuwider gewesen. Als er endlich allein mit sich und der Natur die Wand hinuntergestiegen war, hatte Thaler sich regelrecht befreit gefühlt. Und gefunden, wonach er jahrzehntelang vergeblich gesucht hatte.
Noch einmal füllte er seinen Weinkrug. Drei Flaschen hatte er bereits geleert. Es war so weit. Er konnte nach Hause gehen. Schwankend stand er auf. Die Welt um ihn herum drehte sich. Er ging in seine Hütte, legte den unadressierten Umschlag auf den Holztisch, dann nahm er das Glas, das er sorgfältig vorbereitet hatte, bevor er zur ersten Flasche griff, und ging wieder hinaus. Er fühlte, wie sein Bewusstsein sich mit seiner Hütte, den Bergen ringsum, den Felsen und dem Himmel zu verschmelzen begann. Er wusste, dass er nicht allein war. Thaler nahm den Ring und steckte ihn sich an den kleinen Finger der rechten Hand. Er betrachtete ihn lange, führte die Hand zum Mund, küsste ihn. Die Gedanken flossen aus ihm heraus: Christel, die Zeit des Wartens ist vorbei. Selbst der Tod kann uns nicht scheiden.
Er blickte zur Dreiherrenspitze, deren Gipfel umwölkt war. Der Winter würde auf jeden Fall noch einmal zurückkehren. Doch da, wo er hinging, gab es keine Jahreszeiten, dort gab es noch nicht einmal Zeit. Thaler leerte das Glas in einem Zug, blickte sich zum letzten Mal um. Seine Hütte, seine Berge …
Er ging nach drinnen, schloss die Tür hinter sich, verriegelte sie aber nicht. Er nahm das Foto von Christel und ihm, das über dem Gasherd stand, stieg schwerfällig die Stufen in seine winzige Schlafkammer empor, stellte das Bild neben das Bett und legte sich hin. Die Decke, die ihm in unzähligen Wintern Wärme gespendet hatte, zog er sich bis zum Hals. Seine Lippen umschlossen den schmalen Ring. Müdigkeit überkam ihn, eine schwache Übelkeit. Im Magen verspürte er einen leichten Druck, dann nichts mehr. Endlich schloss Alexander Thaler die Augen.
18
Bozen, Freitag, 20. April
Die drei Polizisten hatten sich schon früh am Morgen in Vincenzos Büro getroffen, um die Ergebnisse des Vortages auszuwerten. Die Befragung von Andreas Kofer hatte nichts Neues ergeben. Er hatte Albers Angaben hinsichtlich der Goldmenge bestätigt, wusste aber nichts über den Verbleib von Sara Gasser und hatte keine Vorstellung, wie der bedauernswerte Markus Pircher in das Burgverlies gekommen sein könnte. Die Frage nach dem Geld für seinen Porsche konnte er allerdings nachvollziehbar beantworten. »Ich habe den Wagen geleast. Ein Porsche war schon immer mein Traum. Die zwanzigtausend von unserem Goldfund habe ich als Anzahlung verwendet, das können Sie gern nachprüfen.« Auch bei der Frage, wie er sich denn erkläre, dass ein Zeuge ausgesagt hatte, das Geld für den Sportwagen stamme aus einer Erbschaft, blieb er cool. »Das müssen Sie diesen Zeugen fragen, nicht mich.« Lediglich, als ihn Vincenzo auf das vermeintliche Attentat auf Christine Alber ansprach, hatte Kofer Verunsicherung gezeigt. Er könne sich an keinen solchen Vorfall erinnern. Sicherlich habe er den Wagen häufiger ausgefahren, natürlich schneller als erlaubt, aber er konnte sich nicht daran erinnern, dabei fast jemanden über den Haufen gefahren zu haben. Sollte es so gewesen sein, tue es ihm schrecklich leid.
Vincenzo nahm eine Tüte Cantuccini aus seiner Schublade und ging zu seinem Besprechungstisch, auf dem die leere Etagere bereits auf Nachschub wartete. »Da ich nicht an Zufälle glaube, steht für mich fest, dass der Brand auf dem Gamperhof und Pirchers Tod zusammenhängen. Ebenso wie das Verschwinden von Sara
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