Goldrausch: Tannenbergs zweiter Fall
hörte sich kurz an, was der Anrufer zu berichten hatte, und sagte dann in unmissverständlicher Vorgesetzten-Manier: »Nein, Fouquet. Ich kann jetzt nicht. Nimm dir den Geiger mit. Macht das mal alleine, das schafft ihr schon.«
Man merkte Sabrina deutlich an, wie gerne sie gewusst hätte, was ihr Chef in diesem kurzen Telefonat erfahren hatte, aber dazu fand sich gegenwärtig keine Gelegenheit.
Ellen Herdecke erhob sich auf einmal wie von einer Tarantel gestochen von ihrem Sitzplatz und stellte sich vor Tannenberg.
»Wissen Sie, Herr Hauptkommissar, eigentlich wäre es mir lieber, wenn Sie den Siggi – ich meine den Siegfried von Wandlitz – zu dem Mord an der armen Susanne befragen würden«, meinte sie mit einem seltsamen Unterton, aus der Tannenberg leichte Unsicherheit herauszuhören glaubte.
»Warum?«, fragte der altgediente Kripobeamte verwundert.
»Na, weil er für die Repräsentation unserer Firma nach außen hin zuständig ist. Und ich habe einfach Angst, vielleicht etwas Falsches zu sagen. Zumal …«
»Zumal was, Frau Herdecke?«
»Zumal ich zu Susanne nicht das allerbeste Verhältnis hatte. Wir waren einfach zu verschieden – privat meine ich.«
»Wieso?«, mischte sich Sabrina, die sich inzwischen zu den beiden gesellt hatte, ein.
»Na ja, Susanne war eben die absolute Karrierefrau, die außer ihrem Beruf nichts anderes kannte. Und ich bin eben mehr der Familienmensch, bin viel emotionaler. Und für sie war alles nüchternes Kalkül. Alles wurde rational geprüft, entschieden und dann auch durchgeführt. Hatte vielleicht auch etwas mit ihrem Arbeitsbereich zu tun: immer nur Zahlen, Zahlen, Zahlen.«
»Und wie war das mit dem Verhältnis zwischen Frau Niebergall und dem Herrn Professor?«, wollte Tannenberg wissen.
»Das war, glaub ich jedenfalls, genauso kalt und rational. Aber dazu möchte ich mich eigentlich nicht weiter äußern. Ich weiß auch kaum was darüber. Susanne und ich sind uns ziemlich aus dem Weg gegangen.«
»Wie sieht’s denn eigentlich wirtschaftlich mit Ihrer Firma aus?«, schaltete sich wieder die junge Kriminalbeamtin ein.
»Gut, denke ich. Aber da sollten Sie wirklich besser den Siggi fragen, denn da ist er der Experte. Um den finanziellen Bereich kümmere ich mich nicht. Mein Metier sind Forschung und Entwicklung.«
»Aber Sie können uns doch sicher etwas über die Besitzverhältnisse innerhalb Ihres Unternehmens aufklären«, sagte Tannenberg und korrigierte sich sogleich. »Also, um’s auf den Punkt zu bringen: Wem gehört eigentlich die Firma FIT.net ?
»Aber Herr Hauptkommissar, das ist doch ganz einfach«, entgegnete die Angesprochene lachend: »Wir sind eine Aktiengesellschaft und deshalb gehört das Unternehmen den Aktionären!«
»Und die wären?«, insistierte der Kriminalbeamte.
»Siggi, Susanne und ich besitzen zusammen etwa 10% der Aktien; die restlichen 90% befinden sich nach meinem Wissensstand in Streubesitz – also bei Investmentgesellschaften, Privataktionären usw.«
»Verstehe. Und was ist mit den Anteilen, die Frau Niebergall besitzt, gehen die jetzt an Sie beide über?«
»Nein, natürlich nicht! Die erben ihre nächsten Verwandten. In ihrem Fall dann wohl die Eltern, denn sie ist ja weder verheiratet, noch hat sie Kinder oder Geschwister – jedenfalls soviel ich weiß.« Sie legte eine kurze Pause ein. »Hoffentlich werfen die Eltern das Aktienpaket nicht sofort, wenn sie den Erbschein haben, auf den Markt. Sonst bricht vielleicht unser Kurs zusammen.«
»Sehen Sie, Frau Herdecke, jetzt haben Sie uns doch einige interessante Auskünfte erteilt, obwohl Sie vorhin noch meinten, dass Sie das gar nicht wollten.«
»Das muss wohl an der sympathischen Art Ihrer Befragung liegen, lieber Herr Hauptkommissar«, entgegnete sie sanft lächelnd wie eine zarte Frühlingsblume, auf die gerade die ersten milden Sonnenstrahlen gefallen waren – so lautete jedenfalls die Metapher, die Tannenbergs innere Stimme in sein Bewusstsein hineinkatapultierte.
Sabrina Schauß bombardierte ihren Chef bereits im Treppenhaus des FIT. net-Gebäudes mit Fragen hinsichtlich des Telefonats; aber dieser war nicht bereit, seine Informationen außerhalb ihres Dienstfahrzeuges preiszugeben.
»Also, du alte Nervensäge«, begann er sichtlich gut gelaunt, »damit du endlich Ruhe gibst: Irgendein Spaziergänger hat irgendwo im Wald in einem Erdloch die Leiche irgendeines Penners gefunden. Schon wieder so ein Pennermord! Wie vor einem halben Jahr, als einer den
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