Goldrausch: Tannenbergs zweiter Fall
an die Pinnwand und zeigte mit einem Finger auf ein rotes Schild, das rechts oben in der Ecke hing. »Was ist denn eigentlich mit dieser Ellen Herdecke, die hat doch mit den beiden anderen zusammen die Firma gegründet?«
»Wie? Was?«, gab Tannenberg irritiert zurück. »Was soll mit dieser Frau denn sein?«
»Vielleicht sollten wir uns die Dame mal etwas intensiver vorknöpfen. Vielleicht spielt sie ja eine bedeutend wichtigere Rolle in diesem Fall, als wir bisher angenommen haben. Vielleicht ist sie sogar der Schlüssel zur Aufklärung des ersten Mords.«
»Schon wieder dieses verdammte ›vielleicht, vielleicht, vielleicht‹! Damit kann ich doch keine Mordanklage aufbauen!«, schimpfte der Oberstaatsanwalt wütend vor sich hin.
Tannenberg reagierte nicht auf den erneuten kritischen Einwurf Dr. Hollerbachs, sondern antwortete an Schauß gerichtet: »Wie kommst du denn ausgerechnet jetzt auf diese völlig unverdächtige Frau?«
»Ich weiß auch nicht. Ist mir eben gerade so eingefallen.«
»Du, ich denke, du solltest dich einfach mehr um deinen Fall kümmern, als dich in meinen einzumischen!«
»Warum bist du denn so aggressiv?«
»Ich bin überhaupt nicht aggressiv!«, brüllte Tannenberg.
Petra Flockerzie erschien in der Tür und meldete sich wie ein Schüler mit gestrecktem Arm zu Wort: »Chef, draußen ist jemand, der eine Aussage machen will – wegen dem Mord an der armen Frau.«
Da der Oberstaatsanwalt beim Verlassen des Raums mit den Worten ›Wotan, wie er leibt und lebt!‹ noch einen giftigen Pfeil in Richtung Tannenbergs abgeschossen hatte, war dessen Bedürfnis nach Kontakt mit einem potentiellen Zeugen, bei dem es sich nach seiner spontanen Prognose bestimmt wieder um irgendeinen Aufschneider oder sonst wie gestörten Menschen handelte, auf dem Nullpunkt angelangt. Deshalb bat er Sabrina, sich um die Sache zu kümmern.
Bereits ein paar Minuten später erschien sie allerdings wieder im Zimmer ihres Chefs und sagte: »Entschuldige die Störung, Wolf, aber diesen Rentner solltest du dir wirklich anhören. Das ist äußerst interessant, was der beobachtet hat.«
»Na, los, sag schon.«
»Nein, das hörst du dir am besten selbst an«, beharrte Sabrina Schauß auf ihrer Forderung.
»Was? Ich soll das alles noch mal erzählen?«, beschwerte sich der etwa siebzigjährige, für einen Mann dieses Alters ausgesprochen gepflegt wirkende Rentner. »Da hätte ich wohl doch besser auf meine Frau gehört. Die hat mir nämlich geraten, mich da rauszuhalten. Mit denen kriegst du nur Scherereien, hat sie mich gewarnt.«
»Erstens sind Sie gesetzlich zur Zeugenaussage verpflichtet und zweitens brauchen wir ja nicht lange«, sagte Tannenberg, ernstlich bestrebt, die gewaltigen Eruptionen, die nach wie vor in seinem Innersten wüteten, nicht nach außen dringen zu lassen. »Erzählen Sie mir jetzt einfach mal, was genau Sie beobachtet haben!«
»Also, Herr Kommissar, wegen diesem kalten Mistwetter sind wir vor drei Wochen nach Südspanien in unser Ferienhaus geflüchtet. Und als wir gestern zurückgekommen sind, hab ich mich gleich an die Zeitungen gesetzt, die meine Schwester immer für uns aufhebt. Da freu ich mich nämlich …«
»Bitte fassen Sie sich kurz, guter Mann«, unterbrach der Kommissariatsleiter. »Wir haben hier wirklich sehr viel zu tun.«
»Ich kann ja auch wieder gehen«, gab daraufhin der Senior trotzig zurück.
Tannenberg konnte sich nicht mehr beherrschen und donnerte los: »Mann, legen Sie jetzt endlich los, sonst steck ich Sie in Beugehaft und lass Sie dort so lange schmoren, bis Sie mich anbetteln, Ihre Aussage machen zu dürfen!«
»Als ich den Zeugenaufruf in der Samstagsausgabe der Rheinpfalz gelesen habe«, antwortete der Rentner sichtlich beeindruckt, »ist mir eingefallen, dass ich genau an dem Tag – das war nämlich der vor unserer Abreise – am späten Nachmittag noch mal unseren Hund auf dem Kahlenberg ausgeführt hab, bevor ich ihn dann zu meiner Schwester gefahren hab. Und als ich oben an der Bank angekommen bin …«
»An welcher Bank? Die, von der aus man die schöne Sicht auf den PRE-Park hat?«
»Genau die, Herr Kommissar.«
»Und? Weiter!«
»Auf der Bank hat so ein verwahrloster Penner gesessen. Hat mein Tasso einen Zirkus veranstaltet. Erst ist der Kerl etwas erschrocken, als er den bellenden Schäferhund gehört hat, aber als er dann die Leine sah, hat er sich gleich wieder umgedreht und weitergesoffen.«
»Sie haben also sein Gesicht gesehen?«
»Ja,
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