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Goldrausch: Tannenbergs zweiter Fall

Goldrausch: Tannenbergs zweiter Fall

Titel: Goldrausch: Tannenbergs zweiter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
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geschlossenen Augen irgendetwas vor sich hin brabbelnd oder brummend bewegte sie ihren mit ungescheitelten, fettigen und verfranzten Haaren spärlich bedeckten Kopf immerfort auf und nieder. Unter den zottelig über die gegerbte, rötlichbraune Gesichtshaut und weit über die Augen baumelnden Haarsträhnen klaffte eine weit herunterhängende Unterlippe, die ein wahres Trümmerfeld aus abgebrochenen gelb-braunen Zahnstümpfen offenbarte.
    Bekleidet war die Frau mit einem in schwarz-grauem Fischgrätenmuster gewebten Mantel, unter dem eine dicke blaue Weste hervorlugte. Ihre vor dem Oberkörper zusammengefalteten, ruhelos zuckenden Hände steckten in schmutzigen, fingerlosen Wollhandschuhen.
    Wie alt mochte sie wohl sein?, fragte er sich. 50 oder sogar schon 60?
    Plötzlich öffnete Rosi die wässrigen Augen, ein müder, leerer Blick traf Tannenberg.
    »Guten Tag, Frau Junke«, begann er zögerlich. »Sie sind doch Roswitha Junke, oder?«
    »Wer will’n dat wissen, Jungchen?«, antwortete sie rülpsend.
    Tannenberg wich dem übelriechenden Gestank aus, indem er sich mit einer schnellen Bewegung von seinem Stuhl erhob.
    »Entschuldigung. Mein Name ist Tannenberg. Ich bin von der Kriminalpolizei und hätte ein paar Fragen an Sie.«
    »Jungchen, merk dir mal: Bullen sach ich jar nischts! Lass misch in Ruhe!«, lallte sie, schloss wieder die Augen und begann erneut mit ihrer stumpfsinnigen Litanei.
    Trotz intensiver Bemühungen, Roswitha Junke zu einigen Auskünften zu bewegen, war sie nicht bereit, auch nur ein, über die beiden bisher von ihr nuschelnd in den kahlen Raum geworfenen Sätze hinausgehendes Wort zu produzieren.
    Wolfram Tannenberg gab sich schließlich geschlagen und vertagte die Befragung auf den nächsten Morgen. Bevor er sich auf den Heimweg machte, bat er noch die Leiterin des Obdachlosenasyls, Rosi nicht aus den Augen zu lassen.
    Seine Enttäuschung über das unergiebige Gespräch erfuhr eine zusätzliche Steigerung durch die ernüchternde Mitteilung eines Streifenbeamten, der im Obergeschoss die Habseligkeiten Roswitha Junkes durchsucht und außer den Sachen, die Obdachlose gewöhnlich mit sich führen, nichts Interessantes gefunden hatte.

12
    Tannenberg machte in der Nacht kaum ein Auge zu. Immer und immer wieder beschäftigten sich seine Gedanken mit der Frage, ob Rosi wirklich die Ermittlungen entscheidend weiterbringen konnte oder ob er möglicherweise nur einem Phantom nachjagte. Trotz aller an ihm nagenden Zweifel aber spürte er intuitiv, dass er nicht auf dem Holzweg war.
    Schon oft während seiner langjährigen Kriminalistentätigkeit war er an diesem Punkt angelangt, dort, wo man während der zähen Polizeiarbeit ein ums andere Mal vor einer scheinbar undurchdringlichen Nebelwand stand. In solchen Situationen hatte der ehemalige Leiter des K1, der alte Kriminalrat Weilacher, seine Mitarbeiter stets energisch dazu aufgefordert, den ganzen theoretischen Ballast über Bord zu werfen und sich auf ihr Gefühl zu verlassen, auf Berufserfahrung und Menschenkenntnis.
    Horcht einfach in euch hinein, hatte er immer wieder gesagt. Ihr werdet sehen: Wenn ihr die richtige Spur erst einmal gefunden habt, ergibt sich alles andere wie von selbst!
    An diesen Satz dachte Tannenberg zum wiederholten Mal an diesem Morgen, als er die kräftige Stimme von Michael Schauß im Korridor vernahm, dem er gestern Abend noch den Auftrag erteilt hatte, Rosi um acht Uhr in der Frühe in der Obdachlosenunterkunft in der Logenstraße abzuholen und sie anschließend ins Kommissariat zu bringen.
    Roswitha Junke folgte ihrem Begleiter mit kleinen, schlurfenden Schritten und zum Boden gesenktem Blick in das Dienstzimmer des K1-Leiters. In Zeitlupentempo lümmelte sie sich auf den Besucherstuhl und sank sogleich wie ein Häuflein Elend in sich zusammen. Obwohl sie immer noch das Bild einer sehr traurigen Gestalt abgab, hatte sich der optische Gesamteindruck im Vergleich zum gestrigen Abend doch etwas verbessert. Irgendjemand schien sich ihr heute Morgen angenommen und ihr zumindest die Haare gewaschen zu haben. Auch der Geruch, den sie um sich herum verbreitete, war ein wenig erträglicher geworden.
    »Los, zieh die Jacke aus! Die stinkt ja zum Himmel!«, herrschte sie plötzlich Kommissar Schauß barsch an, der anscheinend Tannenbergs Einschätzung hinsichtlich eines reduzierten Riechzellen-Bombardements nicht teilte.
    Rosi reagierte nur mit einer abrupten, störrischen Bewegung, mit der sie ihre Arme vor dem verschlissenen

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