Goldstein
sie.
»Nur ein Freund.« Charly setzte sich zu ihr. »Und? Geht’s dir besser jetzt? Nach der Dusche?«
»Weiß nicht, ob ich mich jemals wieder sauber fühlen werde.« Die Teetasse klirrte, als Alex sie zurück auf die Untertasse stellte. »Kralle, dieses blöde Arschloch! Ich hoffe, er verreckt!«
»Wünsch dir das nicht. Dann hätte dein Freund einen Menschen auf dem Gewissen.«
Alex zog den Bademantel enger, als wolle sie sich voll und ganz in ihm verkriechen. »Der Mann, mit dem Sie eben telefoniert haben«, sagte sie, »das war ein Bulle, oder?«
Das klang unsicher, tastend. Als frage sie sich, ob sie Charly wirklich vertrauen könne.
»Ja, das war ein Bulle.« Charly nickte. »Aber ein netter.«
Alex grinste schief. »Wusste gar nicht, dass es die auch gibt.«
Charly lächelte zurück. Dass der Mann eben an der Tür auch ein Bulle war, wollte sie dem Mädchen nicht auf die Nase binden. Das vorsichtige Vertrauen, das Alex zu ihr gefasst hatte, wollte sie nicht gleich wieder zerstören.
»Keine Angst«, sagte sie. »Ich habe dir versprochen, keine Polizei einzuschalten, und daran werde ich mich auch halten.«
Sie musste daran denken, wie hilflos ängstlich Alex reagiert hatte, als Charly das Wort Polizei in der alten Häutesalzerei nurausgesprochen hatte. »Keine Bullen«, hatte sie gesagt und war kreidebleich geworden, »bitte keine Bullen.«
»Aber ... willst du, dass dieses Schwein davonkommt? Das war eine Vergewaltigung.«
»Bitte keine Bullen ...«
Charly hatte sich schließlich darauf eingelassen, sich damit zufriedengegeben, nur einen Krankenwagen in die Häutesalzerei zu schicken, damit Ralf Krahl, genannt Kralle, medizinisch versorgt war. Vielleicht war ihm die schwere Verletzung eine Lehre. Mehr als es ein Gerichtsverfahren wegen Vergewaltigung und Körperverletzung hätte sein können.
Dass sie die Polizei aus dem Spiel gelassen und Erich Rambow hatte gehen lassen, das hatte ihr einen kleinen Vertrauensvorschuss bei Alex eingebracht. Dass sie überhaupt mitgekommen war, zusammen mit ihrer Freundin Vicky, der sie draußen auf der Eldenaer Straße über den Weg gelaufen waren, war wohl allein dem Umstand zu verdanken, dass die beiden Mädchen keine andere Bleibe mehr hatten. Erich Rambow jedenfalls, der sich am Forckenbeckplatz wieder auf sein Rad geschwungen hatte, war nicht in der Lage, ihnen etwas Neues zu besorgen. Und so lag Vicky jetzt in Gretas Bett und schlief. Auch Alex hatte dunkle Ringe unter den Augen, hielt sich aber besser als ihre Freundin.
»Warum tun Sie das alles?«, hatte Alex schon im Taxi gefragt.
»Was meinst du mit alles?«
»Na, dass Sie mich mitnehmen und Vicky. Dass Sie die Bullen aus der Sache raushalten. Warum suchen Sie mich überhaupt so hartnäckig? Nur weil ich Ihnen abgehauen bin?«
»Ich wollte dich einfach finden.«
»Warum?«
»Vielleicht kann ich dir helfen. Ich glaube, du hast Schwierigkeiten mit der Polizei.«
»Ach was? Das sind ja Neuigkeiten!«
Charly hatte die Finger an die Lippen gelegt mit Blick auf den Taxifahrer, doch der schaute stoisch nach vorne auf den Verkehr.
»Ich meine etwas anderes. Du hast gesehen, wie Benny in den Tod gestürzt ist. Und du hast gesehen, dass ein Polizist ihn in die Tiefe gestoßen hat.«
Alex hatte sie mit großen Augen angeschaut. Ungläubig. Und gleichzeitig erleichtert.
Als sie in Moabit angekommen waren und Charly den Taxifahrer bezahlt hatte, kannte sie die ganze Geschichte. Vicky hatten sie wachrütteln müssen und oben in der Wohnung gleich ins Bett verfrachtet.
Alex hatte ihr alles erzählt. Das meiste wusste Charly bereits, das hatten sie und Lange sich längst zusammengereimt. Nicht aber das, was Alex von dem Moment erzählte, in dem Benny in die Tiefe gestürzt war.
»Da war dieser Mann.«
»Welcher Mann?«
»Der den Krankenwagen gerufen hat. Der hat alles gesehen.«
Alex hatte den Mann nicht genau beschreiben können, nur dass er eine Nickelbrille trug und ein bisschen so aussah wie dieser Amerikaner mit der Kreissäge, der immer im Kino zu sehen war, nur dass er keine Kreissäge getragen hatte, sondern eine Melone.
»Harold Lloyd«, hatte Andreas Lange gesagt, als Charly ihm davon erzählt hatte, vorhin am Telefon. Und darum gebeten, Alex möge dem Polizeizeichner doch eine Beschreibung dieses Zeugen geben.
Charly schaute Alex an, die sich an ihrer Tasse Tee festhielt, als sei sie das Einzige, was ihr Halt geben könne.
»Der Polizist, mit dem ich gerade gesprochen habe«, begann
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