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Goldstein

Goldstein

Titel: Goldstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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sie, »der will diesen Hauptwachtmeister Kuschke ins Gefängnis bringen.«
    »Der gehört aufs Schafott, nicht in den Kahn!«
    Charly wunderte sich immer wieder, wie viele Befürworter der Todesstrafe es gerade unter Kleinkriminellen gab.
    »Erst einmal gehört er vor ein Gericht, das ihn verurteilt.«
    »Die sprechen ihn doch sowieso frei! Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus.«
    »Wenn wir genügend Beweise haben und Zeugenaussagen, dann wird der Mann verurteilt, das verspreche ich dir. So gut funktioniert unser Justizapparat. Und außerdem ist ein Richter kein Polizist, zwischen Judikative und Exekutive gibt es einen großen Unterschied, das sind zwei Paar Schuhe.«
    »Zwischen was?«
    »Das nennt sich Gewaltenteilung. Aber was ich dir eigentlich sagen will: Wir brauchen dich, um diesen Kuschke dranzukriegen. Du hast alles gesehen, du kannst es bezeugen.«
    »Wer ist wir?«
    »Ich und Kriminalassistent Lange.«
    »Ich dachte, zwischen Gericht und Bullen gibt es einen Unterschied. Haben Sie mir das nicht gerade erklärt?«
    Menschenskind, war das Mädchen ein harter Brocken!
    »Gibt es auch. Aber ich möchte diesen Kuschke genauso verurteilt sehen wie Herr Lange. Und ich denke, da decken sich unsere Interessen, oder?«
    »Ich möchte ihn nicht verurteilt sehen, ich möchte ihn jammern und winseln sehen und um sein Leben fürchten, das möchte ich!«
    »Du redest von Selbstjustiz.«
    »Ist mir egal, wie Sie das nennen. Ich nenn das Rache, und die will ich haben. Außerdem bin ich das Benny schuldig.«
    »Tu bitte nichts Unüberlegtes«, sagte Charly.
    »Sie glauben gar nicht, wie gut ich mir das überlegt habe!«
    »Du hast mit Vicky diese Parolen an sein Haus geschrieben und an das Polizeirevier, stimmt’s?«
    »Und wenn schon!«
    »Wenn Kuschke irgendetwas passiert, dürfte der Verdacht ziemlich schnell auf euch fallen, und wenn nicht auf Vicky, dann zumindest auf dich. Mach dich mit so etwas nicht unglücklich!«
    Alex schwieg. Nachdenklich.
    »Du hast ihm doch schon das Gesicht zerschnitten, reicht dir das nicht als Rache? Lass den Rest die Polizei machen. Und die Gerichte.«
    »Ich gehe nicht zu den Bullen. Die sperren mich ein, sonst nichts. Und meine Zeugenaussage? Meinen Sie, irgendein Richter nimmt ernst, was eine wie ich vor Gericht sagt? Ob als Zeugin oder als Angeklagte, das ist da völlig schnurzpiepe. Die glauben mir sowieso nicht.«
    Charly schwieg. Alex hatte einen wunden Punkt getroffen. Das Mädchen gab tatsächlich nicht gerade die vertrauenerweckendste Zeugin ab, selbst wenn man sie fürs Gericht in neue Kleider stecken würde. Eine tatverdächtige (und dann womöglich bereits verurteilte) Einbrecherin wäre nicht unbedingt die schärfste Waffe in einem Mordprozess gegen einen Polizisten.
    »Du magst recht haben«, sagte sie schließlich. »Aber was dein Nickelbrillenmann sagt, das nehmen sie vielleicht ernst.«
    »Wenn der etwas dazu sagen wollte, hätte er das doch längst getan, oder nicht?«
    Charly zuckte die Achseln. »Vielleicht hatte er seine Gründe, wer weiß? Aber wenn wir ihn mit einem Aufruf suchen und seinen Steckbrief dazustellen, dann wird er sich vielleicht nicht länger verstecken.«
    »Dann machen Sie das meinetwegen. Aber dafür brauchen Sie mich ja nicht.«
    »Doch. Wir brauchen dich. Du musst den Mann beschreiben. Einem Zeichner. Du brauchst nicht ins Präsidium. Eine Straße weiter ist ein Café, da treffen wir uns.« Charly schaute auf ihre Armbanduhr. »In genau zwölf Minuten.«
    Alex machte sich ganz steif.
    »Keine Bange. Das ist kein Polizist, das ist einfach ein Zeichner.«
    79
    R ath hatte den Sekt nicht geköpft, er hatte ihn in den Schrank gestellt und stattdessen die Cognacflasche hervorgeholt. Kirie lag zu seinen Füßen auf dem Wohnzimmerteppich und schlief, die Sonne war längst untergegangen. Rath konnte sein Spiegelbild in der Fensterscheibe sehen. Da saß er nun, frisch geduscht und in einem neuen Anzug, herausgeputzt wie für den sonntäglichen Kirchgang, hatte ein Glas Cognac vor sich stehen und den Aschenbecher. Rauchte und trank und hörte Musik. Und dachte nach. So gut gekleidet hatte er das selten getan.
    Er wusste, warum sie ihn nicht hereingelassen hatte. Um ihn nicht in Gewissensnöte zu bringen. Charly beherbergte ein polizeilich gesuchtes Straßenmädchen, eine mutmaßliche Einbrecherin, und nach dem, was er in der Wohnung gesehen hatte, sah es nichtdanach aus, als wolle sie diese Alex schon bald der Polizei übergeben. Er musste grinsen.

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