Goldstein
wird?«
»Entschuldigung«, sagte Charly und meinte es auch so. »Ich weiß doch, wo Sie stehen. Dann sollten Sie aber auch das Ziel nicht aus den Augen verlieren. Und das heißt, die Anklage gegen Kuschke so wasserdicht wie möglich zu zimmern.«
»Und für dieses Ziel eine Kriminelle laufen lassen, meinen Sie?«
»Sehen Sie Alex doch einfach als Informantin. Ein Spitzel aus der Unterwelt, die Sie auf einen wichtigen Mordzeugen hingewiesen hat. Solche Tipps haben immer ihren Preis.«
»Auch eine Informantin genießt keine Narrenfreiheit. All diese Kaufhauseinbrüche – das ist schon keine Kleinkriminalität mehr.«
»Vergessen Sie Alex. Sehen Sie mich als Ihre Informantin, verkaufen Sie dem Staatsanwalt das so: jemand mit einem guten Draht zur Unterwelt. Dann habe ich den Schwarzen Peter.«
»Und was soll aus Ihrer Alex werden? Berlins erfolgreichste Kaufhauseinbrecherin?«
»Alex ist ein intelligentes Mädchen, das Schlimmes durchgemacht hat und dem man wieder in die richtige Spur helfen sollte. Ich glaube, dass sie das schaffen kann. Aber nicht, wenn man sie in Untersuchungshaft steckt. Und überhaupt: Wollen Sie das Mädchen allen Ernstes im Polizeigewahrsam sitzen lassen, solange ein Hauptwachtmeister Kuschke noch frei herumläuft, der sie ermorden will?«
»Jaja, ich weiß«, sagte Lange. »Wir müssen erst Kuschke am Haken haben, damit sie nicht länger gefährdet ist. Aber ob wir das mit diesem ominösen Zeugen schaffen? Wenn dieser Mensch sich nicht meldet und wir Alex doch als Zeugin brauchen – stellt sie sich dann?«
Charly zuckte die Achseln. »Solange Kuschke unbehelligt bleibt, wird Alex sich jedenfalls niemals stellen.«
»Irgendwie beißt sich die Katze in den Schwanz: Wir brauchen Alex, um Kuschke dranzukriegen, aber solange der noch frei herumläuft, kriegen wir Alex nicht.«
»Tja«, meinte Charly, »diesen gordischen Knoten müssen Sie lösen.« Sie drückte ihre Zigarette aus. »Ich werde Ihnen Alex jedenfalls nicht ausliefern, ich stehe bei ihr im Wort.«
Sie wunderte sich über sich selbst, sie hätte nie geglaubt, einmal so reden zu können, pflichtbewusst und staatstreu, wie sie erzogen war. Ob das Gereons rheinisch-katholisches Phlegma war? Ließ sie sich wirklich so von ihm beeinflussen?
Lange machte einen unglücklichen Eindruck. »Das wird uns beide noch Kopf und Kragen kosten«, sagte er noch einmal und schüttelte den Kopf.
»Und wenn schon«, meinte Charly. »Dann machen wir eben zusammen ein Detektivbüro auf.« Sie malte mit ihren Händen ein imaginäres Ladenschild. »Privatdetektive Lange und Ritter, Ermittlungen aller Art. Hört sich doch ganz vertrauenerweckend an.«
Der Versuch, den unglücklichen Lange ein wenig aufzuheitern, schlug fehl, er wurde lediglich rot.
»Na, dann«, sagte Charly und packte ihre Zigaretten zurück in die Handtasche. »Ich habe meinen Teil unserer Abmachung fürs Erste jedenfalls erledigt. Ich habe Alex gefunden.« Sie machte Anstalten aufzustehen.
»Moment«, sagte Lange, überraschend scharf, und Charly ließ sich wieder auf den Stuhl fallen. »Moment! Unsere Abmachung hat einen zweiten Teil, den sollten Sie nicht vergessen! Da ist immer noch Hauptwachtmeister Kuschke. Auch der dürfte heute Morgen Zeitung gelesen haben, den sollten Sie weiter im Auge behalten.«
Charly seufzte. »Wie lange soll ich den Mann denn noch beobachten?«
Lange lächelte und tippte auf die Zeitung. »So lange, bis sich dieser Zeuge hier meldet und wir Kuschke in Untersuchungshaft nehmen können. Oder bis sich Ihre Alex die Sache vielleicht doch noch einmal anders überlegt und sich stellt. Ich werde derweil mal mit Gennat reden, was in diesem Fall an Strafmilderung und sonstigem Entgegenkommen möglich ist.«
Charly stand auf. Lange mochte schnell rot werden, aber er war ein harter Hund. Sie hatte verstanden: Solange sie Alex nicht überredete, sich zu stellen, müsste sie sich mit der Observierung von Kuschke herumschlagen. Eine nette Motivationshilfe, die Lange ihr da ans Bein gebunden hatte.
81
D er Regen trommelte am Morgen ohne Pause gegen die Fensterscheibe. Das passende Wetter für eine Beerdigung. Rath hatte nicht viel geschlafen in der Nacht und spürte auch einen kleinen Kater, wohl doch ein bisschen zu viel Cognac, obwohl er nach seinem späten Besuch in der Burg kein weiteres Glas mehr getrunken hatte. Ansonsten aber war er bester Laune, trotz des miesen Wetters und obwohl er bei Charly gestern nicht hatte landen können, eigentlich sogar
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