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Goldstein

Goldstein

Titel: Goldstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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spreche ich bitte?«, fragte er. Diese dämliche Unsitte, sich anonym am Telefon zu melden! Genau wie Charly!
    »Und mit wem spreche ich?«
    Der Teilnehmer ließ sich nicht erschüttern. Verdammt, darauf war Rath nicht vorbereitet, er hatte gehofft, dass sich jemand mit Namen meldete und er dann auflegen und alles Weitere im Melderegister erledigen könnte. Oder dass er den Namen womöglich in den Personalakten der Berliner Polizei wiederfinden würde.
    »Ich finde es außerordentlich unhöflich, sich nicht mit Namen zu melden«, sagte Rath. Etwas Gescheiteres fiel ihm gerade nicht ein.
    »Gereon?«, fragte die Stimme am anderen Ende, und Rath spürte etwas wie einen elektrischen Schlag, der vom Hinterkopf bis ins Rückenmark fuhr. Es war kein Zufall, dass ihm diese Stimme vom ersten Moment an bekannt vorgekommen war. »Bist du das?«, hörte er sie weitersprechen, doch er konnte nichts mehr sagen, er hängte ein. Die Gedanken in seinem Kopf rasten, doch sie fanden keinen Halt. Was hatte das zu bedeuten? Rath nahm den Hörer noch einmal ab und wartete, bis er wieder das Amt hatte. »Fräulein«, fragte er. »Wären Sie so liebenswürdig und könnten mir noch einmal die Nummer nennen, mit der Sie mich gerade verbunden haben? Ich bin mir nicht ganz sicher, ob es die richtige war oder ob ich Ihnen versehentlich eine falsche genannt habe.«
    »Stephan einssiebennulleins«, sagte eine leicht genervte Stimme. Rath schaute noch einmal auf den Zettel, auf dem er die Nummer notiert hatte. Kein Zweifel.
    Unter der Telefonnummer, die ihm Christine Möller gegeben hatte, der Kontakt zu dem Mann, der höchstwahrscheinlich den roten Hugo auf dem Gewissen hatte, meldete sich tatsächlich ein Kollege.
    103
    U nruhig wie eine Löwin im Käfig lief sie in ihrer Wohnung umher, nicht einmal beim Frühstück hatte sie stillsitzen können. Charly wusste einfach nicht, was sie machen sollte. An einem Sonntag Lange anrufen? Oder Gennat? Grundsätzlich war das sicher kein Problem, aber sie wusste selber nicht, ob sie ausreichend Grund dazu hatte. Gereon hatte sie mit seinen ewigen Bedenken so kirre gemacht, dass sie selber schon nicht mehr so fest daran glaubte, was sie im Hansaviertel gesehen hatte. War da überhaupt ein Schupo gewesen? Und hatte der tatsächlich ausgesehen wie Gereons neuer Kollege? Verdammt, hatte sie eine Wut auf ihn! Nicht ein Mal, nicht ein einziges Mal konnte er sie unterstützen, immer musste er dagegenhalten!
    Sie wusste selbst, wie heikel das war: einen Kollegen des Mordes zu verdächtigen. Denn darauf würde es hinauslaufen. Ein harmloser Zeuge konnte der Schupo nicht mehr sein, nicht wenn es derselbe war, der Kuschkes Wohnung durchsucht hatte.
    Verdammt! Sie hätte sich wohler gefühlt, wenn Gereon auf ihrer Seite stehen würde. Wenn er überhaupt hier wäre.
    Sie hätte die Suche nach Alex wieder aufnehmen können, aber seit gestern konnte sie keinen klaren Gedanken mehr fassen, viel zu viele schwirrten in ihrem Kopf herum, seit sie Sebastian Tornow hatte lächeln sehen und der Blitz eingeschlagen war, der Blitz der Erkenntis. Aber offensichtlich sprach alle Vernunft gegen diese Erkenntnis.
    Das Telefon klingelte, und Charly zuckte zusammen. Gereon? Vielleicht war er das ja. Trotz der Wut, die sie immer noch empfand, hätte sie sich gerne wieder mit ihm versöhnt. Im Moment wuchsen ihr die Dinge einfach über den Kopf, da könnte sie ihn an ihrer Seite gebrauchen. Und warum hast du ihn dann gestern Abend aus der Wohnung gejagt, dummes Huhn? Um Geld hatte sie ihn auch noch anpumpen wollen, wo Maltritz doch morgen wieder wegen der Miete auf der Matte stehen würde. Na gut! Wenn er die Versöhnung wollte, konnte er sie haben. Aber nicht sofort. Oder?
    Mensch, sei nicht kindisch, lass ihn nicht zappeln! Hat immerhin schon fünfmal geklingelt!
    Sie nahm den Hörer ab.
    »Ja bitte?«
    »Charlotte Ritter?« Das war nicht Gereons Stimme.
    »Ja«, sagte Charly und fragte sich im selben Augenblick, ob es klug gewesen war, ihren Namen preiszugeben. Ohne zu wissen, wer da überhaupt angerufen hatte. »Wer ist da bitte?«, fragte sie also brav.
    »Ich hätte gerne Gereon Rath gesprochen.«
    »Der ist nicht hier.«
    »Dann entschuldigen Sie bitte die Störung.«
    »Keine Ursache«, sagte sie. Doch der Anrufer hatte bereits eingehängt.
    104
    R ath schlug mit der Faust gegen den Fernsprecher und fluchte. Besetzt! Musste sie ausgerechnet jetzt telefonieren! Er hängte ein. Es klimperte, als der Groschen in den Rückgabeschacht

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