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Goldstein

Goldstein

Titel: Goldstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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fiel. Verdammt! Marion Bosetzky war schon in der Kirche verschwunden, und er stand immer noch hier in der Telefonzelle und versuchte, Charly zu erreichen. Er musste mit ihr reden, musste so schnell wie möglich mit ihr reden, Streit hin oder her. An diesen Streit musste er immerzu denken, seit er Tornows Stimme im Telefonhörer gehört hatte. Er konnte sich einfach keinen Reim darauf machen, aber irgendetwas war hier faul, oberfaul. Seine Argumente gestern Abend waren ihm wieder eingefallen: Tornow trägt doch schon seit fast zwei Wochen keine Uniform mehr. Aber das stimmte nicht. Es gab einen Tag letzte Woche, an dem Sebastian Tornow Uniform getragen hatte. Wenn auch weit entfernt vom Hansaviertel. Auf dem Friedhof Schönholz in Pankow. Bei der Beisetzung von Emil Kuhfeld.
    Rath klaubte den Groschen aus der Geldrückgabe und steckte ihn wieder oben in den Münzeinwurf. Hoffentlich telefonierte sie nicht mit dem Grinsemann, das konnte ewig dauern. Während er die Nummer durchgab, hielt er das Kirchenportal im Blick, doch Marion Bosetzky, ihres Zeichens Nackttänzerin, Zimmermädchen und Gangsterbraut, war noch nicht wieder aufgetaucht. Na endlich! Das Freizeichen. Und dann hörte er, wie Charly abhob.
    »Ja bitte?«
    Natürlich! Sie meldete sich auch nie mit Namen, höchstens im Büro! Jetzt wusste er wieder, warum ihn das so aufregte. »Charly«, sagte er schnell, »Gereon hier. Ich hoffe, du bist mir nicht mehr böse.«
    »Gereon! Ich ... So ein Zufall, gerade ...«
    »Hör zu«, unterbrach er sie, wohl wissend, dass das nicht sehr höflich war, aber die Umstände ließen ihm keine andere Wahl. »Ich bin ein wenig in Eile, deswegen schnell: Es tut mir wirklich leid wegen gestern Abend. Ich bin ein Volltrottel.«
    Sie lachte. »Schön, dass du das einsiehst.«
    »Hör zu«, sagte er noch einmal, »ich muss wissen, wann genau du Tornow im Hansaviertel gesehen hast. An welchem Tag? Wie viel Uhr?«
    »Mittwoch«, sagte sie, »gegen halb eins.«
    Das passte! Um elf hatte die Beerdigung begonnen, da hatte er sich von Tornow verabschiedet und ihn seitdem nicht mehr gesehen. Der Friedhof lag direkt an der S-Bahn. Ein-, zweimal umsteigen, aber viel länger als ein halbe, dreiviertel Stunde bräuchte man kaum bis zum Bahnhof Tiergarten.
    »Ich glaube, du hast wirklich Tornow gesehen, im Hansaviertel«, sagte er. »Ich weiß nicht, was da läuft, aber irgendeine verdammt krumme Geschichte. Womöglich hat er auch etwas mit dem Tod des roten Hugo zu tun. Und dem von Ratten-Rudi.«
    »Wie?«
    »Zwei Gangster. Lass uns das gleich bereden, ich kann dir jetzt nicht mehr erklären, ich hab hier noch was zu erledigen. Aber in einer guten Stunde kann ich bei dir sein. Warte auf mich.«
    »Aber ...«
    »Warte einfach. Nur ein Stündchen noch. Dann essen wir etwas zusammen, und ich erzähl dir alles.«
    Er legte auf, verließ die enge, stickige Kabine und ging mit schnellen Schritten zur Kirche. Er überlegte, wie er Charly plausibel machen könnte, warum er so gut über den Todesfall Hugo Lenz informiert war, in dem er eigentlich gar nicht ermittelte. Unter gar keinen Umständen durfte sie wissen, dass er für Johann Marlow arbeitete. Er musste irgendeinen Dreh finden über Henning und Czerwinski. Plisch und Plum waren an dem Fall dran, und sie wusste, dass die beiden meist mit ihm zusammenarbeiteten. Und waren sie gestern nicht zusammen in der Kantine gewesen? Aber ob sie ihm glaubte oder nicht, das war jetzt auch eher zweitrangig, wichtig war, dass sie ihr Wissen zusammenwarfen, sie mussten herausfinden, was die Fälle Kuschke, Lenz und Höller miteinander zu tun hatten.
    Er hoffte, die Sache hier schnell erledigen zu können. Wenn er Marion Bosetzky erst einmal in den Fingern hatte, würde sich alles Weitere finden. Zur Not würde er ihr Handschellen anlegen und sie im Präsidium abliefern. Warum sollte ein Kommissar nicht zufällig am Sonntag auf eine Frau stoßen, die seit über einer Woche vergeblich von der Fahndung gesucht wurde? Vielleicht würde es aber auch schon reichen, sie ein bisschen unter Druck zu setzen, damit sie ihn zu Goldsteins aktueller Absteige führte. Dann würde er die Handschellen liebend gern für Abe Goldstein reservieren und Marion wieder laufen lassen. Punkte bei Gennat würde ihm beides einbringen, wobei ihm die Goldsteinvariante die eindeutig liebere war. Mit so etwas konnte man sich in der Burg einen ganz guten Ruf machen. Zumal ihm der Mann zweimal durch die Lappen gegangen war.
    Rath betrat Sankt

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