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Goldstein

Goldstein

Titel: Goldstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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jungfräulichen Aschenbecher und stand auf. Der Portier schaute ihm erwartungsvoll entgegen.
    »Ah, der Herr Kommissar.« Die Stimme des Mannes mit dem gepflegten Schnurrbart triefte von sauer gewordener Freundlichkeit. »Was kann ich denn für Sie tun? Möchten Sie einen weiteren Blick ins Anmeldebuch werfen? Oder darf ich Ihnen ein Zimmer reservieren? Da Sie doch offensichtlich länger zu bleiben gedenken.«
    »Machen Sie sich keine Umstände. Ihre Halle ist doch recht gemütlich. Sehr bequeme Sessel.«
    »Für den Komfort unserer Gäste scheuen wir weder Kosten noch Mühen.«
    »Das will ich doch hoffen.«
    Der Portier beugte sich ein wenig nach vorne und senkte seine Stimme. »Herr Kommissar, wollen Sie mir nicht doch endlich sagen, warum Mister Goldstein das Interesse der Polizei auf sich gezogen hat?«
    Rath beugte sich ebenfalls nach vorne. »Ich fürchte, das geht Sie nichts an.«
    »Wenn einer unserer Hotelgäste womöglich einer Straftat verdächtigt wird, sollten wir dies wissen. Ich kann jedenfalls nicht umhin, unseren Hoteldetektiv zu informieren. Schließlich geht es um die Sicherheit unseres Hauses!«
    Rath nickte. »Sie haben recht. Holen Sie Ihren Detektiv doch her. Aber erst einmal würde ich gern telefonieren.«
    »Sehr wohl, der Herr. Soll ich das Gespräch auch auf Ihre Rechnung setzen?«
    »Ich bitte darum«, sagte Rath und lächelte freundlich. Vier Kaffee, ein Sandwich und ein Telefonat. Die Spesenrechnung ein wenig in die Höhe zu treiben war die einzige Genugtuung, die ihm blieb. Eine große Schachtel Overstolz würde mindestens noch dazukommen.
    Kurz darauf stand Rath in einer der Telefonkabinen und starrte durch die Glastür, während er in den Hörer lauschte, ob die Verbindung zustande kam. Auch von hier hatte er die Aufzüge im Blick, ebenso die große Drehtür, die hinaus auf die Stresemannstraße führte. In der Spenerstraße meldete sich noch niemand, also ließ Rath sich mit dem Amtsgericht Lichtenberg verbinden und verlangte nach Fräulein Ritter.
    »Gut, dass du dich meldest«, sagte sie. »Es gibt Ärger.«
    »Was denn?«
    »Weber ist heute aus dem Urlaub zurück ...«
    Justizrat Albrecht Weber war Charlys Vorgesetzter im Amtsgericht Lichtenberg.
    »Ja und?«
    »Es ist ... wie soll ich sagen ... Weber ist Kiries Charme nicht so erlegen wie die übrigen Kollegen hier, er hat ... – Gereon, ich kann den Hund nicht länger mit ins Büro nehmen. Ab morgen musst du Kirie wieder mit zum Alex nehmen.«
    Das hatte ihm noch gefehlt. Ausgerechnet jetzt.
    »Lass uns heute Abend beim Essen darüber reden«, fuhr Charly fort, »ich hab sowieso noch etwas mit dir zu besprechen. Du kommst doch pünktlich heute?«
    »Nicht ganz, deswegen rufe ich an. Ich werde ungefähr eine Stunde später kommen; Weiß hat mir eine Observierung aufs Auge gedrückt.«
    »Der Vize persönlich? Erzähl doch mal.«
    Charly konnte ihre Neugier nicht verbergen. Sie hatte früher selbst einmal in der Mordinspektion gearbeitet. Nominell als Stenotypistin, aber Gennat und Böhm hatten sich bei Mordermittlungen durchaus auch auf ihren kriminalistischen Scharfsinn verlassen und die angehende Juristin entsprechend eingesetzt.
    Rath erzählte ihr von Goldstein und seinem Auftrag.
    »Hört sich an wie eine Strafarbeit«, sagte sie.
    »Ich hab nichts gemacht, ehrlich.«
    »Vielleicht will Weiß dich ja noch für deine Jugendsünden büßen lassen.«
    »Und ich dachte, dafür hätte ich mittlerweile genug gebüßt.«
    Rath hatte vor gut einem Jahr ein Disziplinarverfahren über sich ergehen lassen müssen. Damals war er noch mit einem blauen Auge davongekommen, auch weil Gennat ein gutes Wort für seinen Kommissar eingelegt hatte. Nur Raths bereits avisierte Beförderung zum Oberkommissar hatte sich mit dem Disziplinarverfahren fürs Erste erledigt, daran hatte nicht einmal die politische Unterstützung aus dem preußischen Innenministerium etwas ändern können, die er Konrad Adenauer zu verdanken hatte, einem Duzfreund seines Vaters, dem Rath einmal einen Gefallen getan hatte.
    »Ich muss jetzt einhängen, Charly, ich glaube, mein Typ wird verlangt. Wir sehen uns dann heute Abend!«
    An der Rezeption stand ein Mann, dessen Erscheinung nicht so recht zur Eleganz seines hellbraunen Sommeranzuges passen wollte. Obwohl der Anzug aussah wie maßgeschneidert, schlackerte er an sämtlichen Extremitäten, wenn sein Träger sich bewegte. Der Mann wirkte nicht wie der abgehalfterte Bulle, mit dem Rath gerechnet hatte, eher wie ein

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