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Goldstein

Goldstein

Titel: Goldstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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...«
    »Weber hat keinen Brieföffner auf seinem Schreibtisch.«
    »Du weißt, was ich meine.«
    »Gereon, jetzt fang du nicht auch noch an. Ich weiß, dass ich Mist gebaut habe. Aber dieses Mädchen ... irgendetwas war mit ihr. Sie hatte eine ungeheure Angst. Vor dem Schupo, dachte ich, vielleicht auch nur vor der Uniform.«
    »Kein Wunder! Wenn sie einen Schupo verletzt hat mit ihrem Messer, hat sie auch allen Grund dazu! Einen Polizisten zu verletzen, das ist kein Kavaliersdelikt. Auch wenn ich manchmal das Gefühl habe, dass dies in dieser Stadt so gesehen wird.«
    »Dass sie wirklich einen Beamten angegriffen hat, glaube ich nicht, das kann der Zeuge auch erfunden haben. Bislang jedenfalls hat kein Schupo einen derartigen Vorfall gemeldet.«
    »Mensch, Charly, mach die Augen auf! Die Göre scheint gefährlich zu sein. Wenn ich überlege, was dir hätte passieren können mit diesem Biest ...«
    »Sie ist kein Biest. Sie hat selber eine Schnittwunde an der Hand, wer weiß, was sie alles erlebt hat. Wenn ich an diese Kinder in der alten Fabrik denke.«
    »Charly, Charly!« Gereon seufzte. »Du solltest nicht so viel Mitleid mit solchen Leuten haben, das geht nicht in unserem Beruf. Und als Richterin oder Staatsanwältin geht das noch viel weniger.«
    Unwillkürlich griff sie nach ihren Zigaretten. »Was heißt Mitleid? Ich will nur verstehen, was los ist! Hilfst du mir jetzt, sie zu suchen oder nicht?«
    Charly steckte die Juno an und inhalierte tief. Sie merkte, wie sie wieder wütend wurde. Gereon hob beschwichtigend die Arme.
    »Natürlich helfe ich dir.« Er holte sein Notizbuch aus dem Jackett und einen Bleistift. »Sie heißt also Reinhold mit Nachnamen ...«
    »Alexandra Reinhold. Ich denke, die haben mich nicht verschaukelt, da in der Fabrik. Der Kerl hat sich einen Spaß daraus gemacht, dieses Mädchen, Vicky, damit zu ärgern, dass er Alex verpfeift. Scheint einen Hass auf die Mädels zu haben.«
    Gereon nickte. »Müsste ja rauszufinden sein, wo sie herkommt.«
    »Deswegen habe ich dich hergebeten. Lass uns gleich ins Meldeamt gehen und die Adressen sämtlicher Reinholds aus Berlin durchgehen.«
    Er schaute skeptisch. »Wenn sie denn aus Berlin kommt ...«
    »Gereon, meine Lage ist verzweifelt genug. Ich weiß selber nicht, ob ich das Mädchen jemals finden werde. Also tu mir bitte einen Gefallen: Finde nicht überall ein Haar in der Suppe, lass es uns einfach versuchen! Eine andere Chance habe ich nicht.«
    Er nickte. »Du hast ja recht. Aber meinst du, du kannst Weber damit beeindrucken, wenn du ihm diese Alex frei Haus lieferst?«
    »Wenigstens habe ich dann meinen Fehler wiedergutgemacht, oder? Außerdem braucht dieses Mädchen Hilfe. Ich habe selten so viel Verzweiflung in einem so jungen Gesicht gesehen.«
    »Dein Mitgefühl musst du ausschalten in diesem Beruf! Du siehst doch, wohin so was führt. So ein Arschloch wie dein Justizrat Weber wartet nur darauf, dass du solche Fehler machst. Dass er endlich etwas Negatives in deine Beurteilung schreiben kann. Der will dir deine Karriere versauen, das wollte er von Anfang an.«
    Sie hob ihre Schultern. »Es gibt auch Juristen, die mehr von mir halten.«
    »Ja, aber die entscheiden nicht über deine weitere Laufbahn.«
    Vielleicht schon, dachte Charly, vielleicht schon. Sie drückte ihre Zigarette aus und schwieg.
    »Mal abwarten«, fuhr er fort, »allzu weit dürfte der liebe Justizrat Weber seine Klappe auch nicht aufreißen, wenn ich das richtig sehe. Er hätte dich als Referendarin mit dieser Verantwortung niemals allein lassen dürfen. Du kannst in deiner juristischen Vorbereitungszeit doch nicht schon den Haftrichter spielen!«
    »Habe ich ja auch nicht. Weber wollte nur seinen Termin beim Staatsanwalt nicht platzen lassen. Und in der Zwischenzeit sollte ich die Personalien des Mädchens herausfinden, mehr nicht.«
    »Das ändert nichts daran, dass Weber selbst ein schlechtes Gewissen haben müsste.«
    »So wirkte er aber nicht, vorhin im Büro.«
    »Mag sein«, sagte Gereon. »Aber hast du schon einmal überlegt, was gestern alles passiert ist? Der tote Polizist, die Schießerei auf der Frankfurter Allee – wen interessiert da schon eine Herumtreiberin, die aus dem Gerichtsfenster gesprungen ist? Ich kann mir nicht vorstellen, dass Weber diese Flucht, für die er indirekt schließlich mitverantwortlich ist, an die große Glocke hängt. Er blufft, er macht dir Angst, weil er dich aus seinem Gericht ekelnwill und aus dem Beruf. Lass dir das nicht

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