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Goldstein

Goldstein

Titel: Goldstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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die beginnende Dunkelheit. Amor-Diele . Das war der Laden. Für einen Unterwelttreffpunkt machte er einen ganz anständigen Eindruck. Vielleicht musste das so sein bei einem Laden, in dem Johann Marlow verkehrte.
    Rath blieb stehen. Er schaute auf seine Adressenliste und dann auf das Kneipenschild. Verdammt, dachte er und steckte sein Notizbuch wieder ein. Charlys Reinholds konnten warten. Er schnippte die Zigarette in den Rinnstein und ging hinüber.
    31
    D er alte Jude hatte es nicht mehr geschafft, aus dem Bahnhofsgebäude zu gelangen, die Männer hatten ihn bereits eingeholt und in die Ecke gedrängt. Zwei, drei Passanten schauten kurz hinüber, hatten es plötzlich eilig, zum Bahnsteig hinunterzukommen, und der Mann im Fahrkartenschalter stand über seine Kasse gebeugt und schien Kleingeld zu zählen. Goldstein war oben gerade von der Rolltreppe in die Halle getreten und sah, wie sich die Lippen unter dem weißen Bart bewegten, als murmele der Jude ein Gebet. Dann hörte er auf zu murmeln und öffnete seinen Mund. »Wollens bittscheen auf Seite gehen, sodass ich wieder kann hinuntergehen in die U-Bahn«, sagte er, durchaus höflich.
    »Ist nur für Deutsche«, sagte das Rotgesicht mit der größten Klappe, der, der überhaupt erst mit dem Spielchen angefangen hatte, ein leicht übergewichtiger Mann, und tippte dem Juden mit dem Finger auf die Brust. »Wer hat dir gesagt, dass du Bahn fahren darfst?«
    »Hab ich eine Fahrkarte«, sagte der Schwarzhut und zückte einen Fahrschein, als handele es sich bei den Uniformierten um Fahrscheinkontrolleure.
    »Haste nicht gehört? Nur für Deutsche! Geh zu Fuß!«
    Nicht der Wortführer der Kackhemden hatte das gesagt, sondern einer seiner hageren Kumpane. Er versetzte dem Juden einen heftigen Stoß, dass der dem dicken Anführer in die Arme stolperte.
    »Hey, Itzig! Rempel mich gefälligst nicht an!« Rotgesicht schubste den taumelnden Mann weg und klopfte sich imaginären Schmutz von seinem Hemd.
    »Na, was ist«, sagte der Hagere und gab dem Schwarzhut, der seine Fahrkarte immer noch in der Hand hielt, einen trockenen, aber sichtlich schmerzhaften Schlag auf den Arm, »willste dich nicht entschuldigen, beim Herrn Scharführer?«
    Der Jude hielt sich den Arm. Seine Augen flitzten hin und her, von einem zum anderen.
    Es reichte. Goldstein mischte sich ein. »Warum lassen Sie den Mann nicht einfach nach Hause fahren?«, fragte er laut.
    Vier Augenpaare wandten sich ihm zu. Goldstein steckte sicheine Camel an, möglichst ruhig, als habe er von den vier Schlägern nichts zu befürchten. Für einen Moment waren sie tatsächlich sprachlos, schauten sich gegenseitig an und dann den Mann mit der Zigarette. So etwas war ihnen wohl noch nie passiert.
    »Wer riskiert denn hier ’ne dicke Lippe?«, fragte Rotgesicht, der als Erster seine Sprache wiedergefunden hatte.
    Goldstein suchte nach einer passenden Antwort. Am liebsten hätte er die vier Kackhemden ordentlich beleidigt, aber er wollte keine Prügelei provozieren, er wollte einfach nur, dass sie den Schwarzhut in Ruhe ließen.
    Während die Augen seiner Peiniger nach wie vor auf Goldstein gerichtet waren, machte der Jude einen Ausfallschritt nach rechts, schlug einen erstaunlich flinken Haken und war schon aus dem ­Gebäude verschwunden. Verdutzt schauten die vier ihm hinterher.
    »Wir sprechen uns noch!« Der rotgesichtige Scharführer drohte Goldstein mit der Faust, was irgendwie lächerlich wirkte, und folgte seinen drei Kumpanen dann nach draußen.
    »You’re welcome, asshole«, knurrte Goldstein und machte sich auf den Weg. Er hatte sich eingemischt, nun war er im Spiel. Als er auf die Straße trat, hatte der Jude den Fahrdamm schon überquert. Seine Verfolger warteten noch, bis Rotgesicht aufgeschlossen hatte, dann teilten sie sich und überquerten ebenfalls die Straße, nahmen den alten Mann von zwei Seiten in die Zange. Der Schwarzhut schaute kurz nach rechts und links und drehte sich dann zum Park um, der sich drohend und dunkel hinter ihm erhob, eine Wand aus Blättern, angestrahlt von den Straßenlaternen, und dahinter nur Dunkelheit.
    Sie hatten ihn in die Enge getrieben.
    Goldstein, dem man als Kind schon eingebläut hatte, nie nach Einbruch der Dämmerung durch den McCarren Park zu laufen, hatte keine Ahnung, warum der Mann das machte, vielleicht erinnerten ihn die Bäume an die galizischen Wälder, oder er hoffte einfach, sich dort im Gebüsch verstecken zu können, jedenfalls verschwand der Alte zwischen

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