Goldstein
Block und reichte es an Nebe weiter.
»Vielen Dank, Fräulein Ritter«, sagte der Chef des Raubdezernats und schaute sich das Porträt an. »Sie haben uns sehr geholfen. Endlich etwas Brauchbares, das ich an die Fahndung geben kann.« Er reichte den Block an einen Mitarbeiter. »Lassen Sie das sofort vervielfältigen und zusammen mit unserem Fahndungsaufruf an die Inspektion J geben. Und hier ...« Er riss ein Blatt aus seinem Notizblock. »... das ist der Name des Mädchens. Das dürfte der Fahndung die Arbeit erleichtern.«
Die Fahndung. Wenn die erst einmal ihren Apparat in Bewegungsetzte, würde es schwer werden für Alexandra Reinhold, in dieser Stadt unterzutauchen. Aus irgendeinem Grunde behagte Charly der Gedanke überhaupt nicht, Alex könne den Fahndern in die Hände fallen. Sie musste an das völlig verstörte Mädchen denken, das in ihrem Büro gesessen hatte, an die Angst in diesen Augen, und dann an den unerbittlich arbeitenden Fahndungsapparat der preußischen Polizei.
Als Charly kurz darauf über den Gang der Mordinspektion schritt und den altbekannten Duft einatmete, diese eigentümliche Mischung aus Aktenstaub und Schweiß, aus Tinte und Papier, überlegte sie einen Moment, zu Gennat hineinzugehen, oder wenigstens zu Wilhelm Böhm. Aber dann klopfte sie doch nur an die Tür, die man ihr genannt hatte, nicht weit entfernt von Gereons kleinem Büro am Ende des Ganges. Nein, sie war einfach nicht in der Stimmung für ein Schwätzchen mit alten Kollegen, überhaupt nicht.
Mit Andreas Lange hatte Charly niemals direkt zusammengearbeitet, doch auch ihm war sie schon einmal begegnet. Vor allem aber kannte sie den Kriminalassistenten aus Gereons Erzählungen. Ein gewissenhafter Mann, so viel wusste sie noch. Und dass er aus Hannover nach Berlin gekommen war.
Charly klopfte an, und ein dünnes »Herein!« drang durch die Tür. Als sie eintrat, saß der Kriminalassistent hinter seinem Schreibtisch und kritzelte irgendetwas mit ernster Miene in eine Mappe. Er war allein im Raum, keine Sekretärin, keine Stenotypistin, nur er und seine Akten.
Als er aufschaute, erkannte er sie sofort.
»Fräulein Ritter!«, rief er überrascht. Und wurde prompt rot. Das schien sich nicht geändert zu haben.
»Sie wollten mich sprechen«, sagte Charly und half ihm auf die Sprünge. »Amtsgericht Lichtenberg.«
»Sie arbeiten jetzt am Amtsgericht?«
»Juristischer Vorbereitungsdienst.«
Lange nickte. Seine Gesichtsfarbe näherte sich langsam wieder dem Normalton. »Justizrat Weber meinte nur, er könne mir eine Dame schicken, die die flüchtige KaDeWe-Einbrecherin gesehen hat.«
»So ist es. Bei Nebe war ich auch schon. Werde wohl in der ganzen Burg herumgereicht.«
Lange quittierte diesen zaghaften Versuch einer lockeren Bemerkung mit einem Lächeln.
»Kommissar Nebe und ich arbeiten in dieser Sache eng zusammen«, sagte er. »Ich untersuche den Todesfall im Zusammenhang mit dem KaDeWe-Einbruch.« Es klang beinahe entschuldigend.
Der Junge, der auf der Flucht vor der Polizei in den Tod gestürzt war, die Schlagzeilen vor ein paar Tagen. Und dann wusste Charly mit einem Mal, warum Alex so einen verstörten Eindruck gemacht hatte, woher die Angst und das Entsetzen in ihren Augen stammten.
»Kann es sein, dass das flüchtige Mädchen den Tod ihres Komplizen beobachtet hat?«, fragte sie.
»Genau das wollte ich Sie fragen, Fräulein Ritter. Sie haben doch mit ihr gesprochen. Bevor sie fliehen konnte, meine ich.« Ein Hauch von Röte zeigte sich wieder in seinem Gesicht. Es schien ihm peinlich zu sein, sie auf ihren Fehler ansprechen zu müssen.
»Ich habe mit ihr gesprochen, das stimmt, aber sie nicht mit mir. Sie hat keinen Ton gesagt, war völlig verstört.«
»Nach meinen Erkenntnissen hat sie tatsächlich beobachtet, wie der Junge abstürzte.« Lange schluckte. »Er war erst fünfzehn.«
»Mein Gott«, entfuhr es Charly.
»Das Mädchen ...«
»Alexandra«, unterbrach Charly, und diesmal kam es ihr nicht vor wie Verrat, »sie heißt Alexandra.«
»... Alexandra ist eine wichtige Zeugin. Sie hat ...«
Es klopfte, so laut, dass man glauben mochte, jemand wolle die Tür eintreten. Doch sie öffnete sich auf normalem Weg, schwang wie gewohnt in ihren Angeln, und Wilhelm Böhm trat in den Raum. Überrascht schaute der Oberkommissar auf Langes Besucherin.
»Charly! Was machen Sie denn hier?«
Fast klang er ein wenig beleidigt. Als werfe er ihr vor, nicht ihn besucht zu haben, wo sie schon einmal in der
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