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Goldstein

Goldstein

Titel: Goldstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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Kriminalkommissar Nebe vom Raubdezernat Sie dringend sprechen. Und dann sollten Sie sich mit der Mordinspektion in Verbindung setzen ...«
    »Mordinspektion?« Das war das erste Wort, das Charly überhaupt wieder herausbrachte. Was wollte die Inspektion A von ihr, die alten Kollegen?
    »Ein Kriminalassistent ... Lange«, fuhr Weber fort. »Ich würde Ihnen raten, sich bald mal auf den Weg zu machen. Am besten noch vor Dienstschluss am Alex.«
    Justizrat Weber gab sich keine Mühe mehr, sein Grinsen zu verbergen.
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    R einhold Gräf brütete über der Akte, die Böhm ihm hatte hinlegen lassen. Eine Akte der Abteilung IA, der Politischen Polizei. Über Gerhard Kubicki hatten die Politischen zwar keine eigene Akte geführt, wohl aber über den SA-Sturm, dem er seit wenigen Monaten angehörte. Einige Schlägereien mit Kommunisten waren dort aufgelistet, ernstere Verletzungen hatte es dabei bislang keine gegeben. Bislang.
    Er klappte die Aktenmappe zu und schob sie von sich, schaute auf den verwaisten Schreibtisch von Gereon Rath. Ob das hier wirklich spannender war, als im Excelsior zu sitzen? Dort war er wenigstens ab und zu mal an die frische Luft gekommen. Wilhelm Böhm aber schien ihn nicht mehr aus dem Büro lassen zu wollen, immer wieder ließ er neue Akten bringen, während der Oberkommissar sich in der Stadt herumkutschieren ließ. Es schien ihm, als müsse Reinhold Gräf nun stellvertretend für Gereon Rath unter Böhms Launen leiden. Dabei hatte er früher, als er noch Kriminalassistent war, gut mit dem Oberkommissar zusammengearbeitet. Die Zeiten waren offensichtlich vorbei.
    Es klopfte, und Erika Voss steckte ihren Kopf zur Tür hinein.Sie hatte eine Akte in der Hand, die sie auf Gräfs Schreibtisch legte.
    »Neues zum Fall Kubicki«, sagte sie. »Diesmal von der Inspektion E.«
    Gräf zog die Akte zu sich heran und schaute neugierig auf den Deckel. »Ein SA-Mann, der ins Visier der Sitte gerät?«, fragte er die Voss. »Ist unser Mann etwa Zuhälter gewesen?«
    Die Sekretärin zuckte die Achseln. »Keine Ahnung. Hab noch nicht reingeschaut.«
    Gräf schlug die Mappe auf und pfiff durch die Zähne. »Tss«, machte er, »ein Hundertfünfundsiebziger. Hat sich in einem einschlägig bekannten Etablissement erwischen lassen.«
    »Ein schwuler Nazi?« Erika Voss konnte ihre Neugier nicht verbergen. »Ich denke, die Völkischen sind gegen so etwas.«
    »In der Theorie sind die das auch«, sagte Gräf. »In der Praxis sieht’s anders aus. Noch nicht gehört? Der neue Stabschef der SA soll angeblich homosexuell sein.«
    Die Voss schüttelte den Kopf. »Wenn das der Führer wüsste«, sagte sie und verschwand wieder im Vorzimmer.
    Gräf schaute ihr nach. Hatte sie das nun ironisch gemeint oder nicht? Er arbeitete sich durch die Akte und staunte. Die Lokale, in denen Kubicki verkehrte, gehörten zu denen, die die Nazis als Erstes dichtmachen würden, hätten sie die Macht dazu. Hatten sie aber nicht. Als der Kriminalsekretär Kubickis Sittenakte komplett gelesen hatte, ließ er sich mit der Politischen Polizei verbinden. »Kriminalsekretär Gräf, Mordinspektion«, sagte er. »Könnten Sie mir alles schicken, was irgendwie mit der Berliner SA und Homosexualität zu tun hat?«
    Eine halbe Stunde später türmten sich weitere Akten auf seinem Schreibtisch. Gräf seufzte und machte sich an die Arbeit. Er hatte die erste Mappe gerade aufgeschlagen, da klingelte das Telefon auf seinem Schreibtisch.
    »Gräf, Mordkommission.«
    »Ich habe Ihren Aufruf gelesen. In der Be-Zett. Sie suchen Zeugen?«
    Die Mittagszeitungen hatten den Artikel mittlerweile also gebracht. »Richtig«, sagte der Kriminalsekretär. »Haben Sie etwas beobachtet?«
    »Ich weiß genau, was im Humboldthain passiert ist.«
    Gräf machte sich unwillkürlich kerzengerade und zückte den Bleistift. »So«, sagte er, »was denn?«
    »Ein braunes Arschloch hat seine verdiente Strafe bekommen, das ist passiert!«
    »Mit wem spreche ich bitte?«
    »Mein Name geht dich einen Scheißdreck an. Ihr Bullen steckt doch mit den Nazis unter einer Decke! Sozialfaschisten!«
    Gräf war sprachlos. Er suchte nach einer passenden Antwort, doch wollte ihm keine einfallen. Und dann hatte sich die Sache ohnehin erledigt: Der anonyme Anrufer hatte eingehängt.
    41
    C harly kannte Arthur Nebe aus ihrer Zeit in der Inspektion A. Der Leiter des Raubdezernats, damals noch ein Rauschgiftfahnder, war von Gennat immer mal wieder in eine Mordkommission geholt worden, vor Kurzem erst

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