Goldstück: Roman (German Edition)
Dafür erfüllt sich gerade mein zweiter Wunsch, und Gunnar hat sich gemeldet – das ist das Einzige, was zählt!
Mittlerweile hat Kiki sich aus der Küche zu mir gesellt und
mustert mich interessiert. Ich grinse sie einfach nur breit an und forme mit den Lippen ein lautloses »Gunnar«.
»Maike«, höre ich ihn jetzt sagen, aber ich muss dringend noch eine Sache loswerden, bevor ich ihn zu Wort kommen lassen kann.
»Und das mit den Sackhaaren«, plappere ich weiter, »also das tut mir natürlich total leid, du weißt ja, wie impulsiv ich manchmal bin, was dich ja auch oft zu Recht gestört hat, wenn ich immer so ausgeflippt bin, also, auch bei Kleinigkeiten, für die du gar nichts konntest. Aber ich habe das jetzt begriffen und verspreche dir …« Bevor ich den Satz zu Ende bringen kann, unterbricht mich Gunnar.
»Du, Maike, ich hab gerade nicht so viel Zeit.«
»Sicher, klar«, erwidere ich eilig. »Lass uns doch einfach treffen, wenn es dir besser passt, damit wir mal in aller Ruhe miteinander reden und sämtliche Missverständnisse aus der Welt räumen können. Ich finde, das sollten wir wirklich dringend tun, es gibt so viele Sachen, die zwischen mir und dir falsch gelaufen sind.«
»Äh«, er schweigt einen Moment, wieder kracht es in der Leitung, offensichtlich telefoniert er übers Handy. »Sag mal«, kommt es gedehnt von Gunnar, »ich hab da mal eine ganz blöde Frage. Hab ich zufälligerweise meinen Personalausweis bei dir liegen lassen?«
»Deinen Personalausweis?«, echoe ich.
»Ja, den suche ich schon seit zwei Wochen«, bestätigt Gunnar. »Und gerade eben ist mir eingefallen, dass ich ihn das letzte Mal gesehen habe, als du eine Mappe mit unseren Unterlagen zusammenstellen und ihn dafür kopieren wolltest. Du weißt schon, als wir noch vorhatten, uns nach einer gemeinsamen Wohnung umzusehen.«
»Äh, ja, daran erinnere ich mich.« Wie hätte ich das auch vergessen können? Kaum hatte ich alle Unterlagen fein säuber
lich in einer Klarsichtfolie gesammelt, um sie potenziellen Vermietern vorlegen zu können, hat Gunnar schließlich Schluss gemacht.
»Und?«, fragt er. »Hast du meinen Perso vielleicht noch? Ich weiß nämlich sonst echt nicht mehr, wo ich noch suchen soll.«
»Hm«, ich überlege, »kann sein, dass er noch in meiner Schreibtischschublade liegt.«
»Würdest du mal nachsehen?«, bittet Gunnar freundlich.
»Klar, mach ich, warte kurz.« Ich lege das Mobilteil neben die Station.
»Was ist los?«, zischt Kiki leise.
»Gunnar«, zische ich zurück. »Er sucht seinen Personalausweis.«
»Wieso?«
»Keine Ahnung.« Dann bedeute ich Kiki, dass sie den Mund halten und auf keinen Fall das Telefon anrühren soll, bevor ich eilig in mein Zimmer laufe.
Dort reiße ich die oberste Schublade vom Rollcontainer neben meinem Schreibtisch auf und halte nach einer kurzen Suchaktion tatsächlich Gunnars Perso in Händen. Schon ein kurzer Blick auf sein Gesicht reicht aus, um meine Knie in Wackelpudding zu verwandeln. Nein, ich bin kein bisschen über ihn hinweg, selbst ein biometrisches Minifoto, auf dem er wahrlich nicht schmeichelhaft aussieht, bringt mich vollkommen aus der Fassung. Aber, frohlocke ich innerlich, immerhin habe ich ihn gerade jetzt an der Strippe.
»Hab ihn«, rufe ich atemlos ins Telefon, als ich wieder im Flur bin. »War in meinem Schreibtisch.«
»Prima«, sagt Gunnar. »Den bräuchte ich nämlich dringend.«
»Kein Problem. Sollen wir uns morgen auf einen Kaffee treffen?« Kiki haut mir ihren Ellbogen in die Seite, ich unterdrücke einen Aufschrei und werfe ihr einen mahnenden Blick
zu. »Dann kann ich ihn dir mitbringen«, rede ich weiter, als wäre nichts, »und wir plaudern ein bisschen.« Hoffentlich ist mir nicht anzumerken, wie aufgeregt ich allein bei der Vorstellung bin. Andererseits wird er das, nachdem ich eben wie ein Wasserfall auf ihn eingeredet habe, wahrscheinlich eh schon registriert haben. Also, was soll’s?
»Tja, hm, also … eigentlich würde ich ihn mir gern jetzt noch bei dir abholen. Oder morgen früh, falls es dir schon zu spät ist.«
»Heute noch?«, frage ich überrascht. »Ähm, ja, sicher ginge das. Ist es denn so eilig? Musst du das Land verlassen?«, versuche ich, einen Witz zu reißen.
»Gewissermaßen schon. Also, wollen, nicht müssen. W… Ich fliege schon morgen Vormittag.«
Auf einmal bin ich hellwach, Gunnars Versprecher ist mir nicht entgangen. »Wir?«, frage ich nach. »Mit wem verreist du denn? Und
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