Goldstück: Roman (German Edition)
wohin?«
»Ist doch egal«, wiegelt Gunnar ab. »Jedenfalls brauche ich echt dringend meinen Perso. Ich dachte, ich könnte auch meinen Pass nehmen, aber eben hab ich gesehen, dass der blöderweise schon seit drei Monaten abgelaufen ist.«
»Wohin?«, frage ich erneut. »Und mit wem?«
»Maike«, auch Gunnars Stimme hat sich urplötzlich von samtweich in genervt verlagert. »Das geht dich, ehrlich gesagt, rein gar nichts mehr an, okay? Ich will einfach nur meinen Perso.«
»Nicht wenn du mir nicht sagst, wohin die Reise geht.«
»Das ist doch kindisch!«
»Gut, bin ich eben kindisch. Immerhin einer der Gründe, weshalb du mich verlassen hast.«
»Maike …«
»Nix, Maike!« Kiki nickt mir zu und hat dabei eine kämpferische Miene aufgesetzt. »Wenn du mich hier schon mitten in
der Nacht anrufst, nur weil du deinen dämlichen Perso haben willst, musst du mir schon sagen, wofür.«
Er seufzt. »Das bringt doch nichts, Maike.«
»Och, überlass das ruhig mir, was etwas bringt und was nicht«, stelle ich fest. »Also, wohin?«
»Okay. Ich fliege nach Venedig. Bist du jetzt zufrieden?«
»Venedig?«, echoe ich wie eine Kandidatin bei der Fünfhundertausend-Euro-Frage.
»Ja«, bestätigt er. »Also, kann ich meinen Perso jetzt abholen? Bitte!«
»Was willst du denn in Venedig? Und wieso schon morgen? Die Flugtickets, die du für uns gekauft hast, sind doch erst in zwei Wochen gültig!« Außerdem, füge ich im Geiste hinzu, sind sie für dich und mich . So habe ich es schließlich bestellt! Nicht für Gunnar und irgendeine Tussi!
»Was werde ich da schon wollen?«, fragt Gunnar, und ihm ist anzuhören, dass er sich Mühe gibt, ruhig zu bleiben. »Urlaub halt. Und ich hab’s auf morgen umgebucht, weil mir was dazwischengekommen ist.«
»Aha«, meine ich. »Lass mich raten: Dir ist eine Tante dazwischengekommen, die in zwei Wochen nicht kann. Richtig? Da hast du dir gesagt, och, bevor die Flüge verfallen, kann ich zumindest mal den umbuchen, der auf mich läuft.«
»Selbst wenn!« Jetzt ist es vorbei mit der Ruhe. »Das ist schließlich meine Sache. Und du hast eben gesagt, ich kann den Perso haben, wenn ich dir sage, wohin ich fliege.«
Ich denke einen Moment nach, dann sage ich langsam und deutlich: »Das habe ich mir gerade anders überlegt. Aber viel Spaß am Flughafen!«
»Maike!« ist das Letzte, was ich von Gunnar höre – dann lege ich auf. Und breche eine Millisekunde später in Tränen aus.
Sofort nimmt Kiki mich in den Arm. »Süße«, fragt sie und streicht mir dabei mit einer Hand über den Kopf, »habe ich
das gerade richtig verstanden? Gunnar will nach Venedig fliegen?«
»Jahaha«, bringe ich schluchzend hervor.
»So ein unsensibles Arschloch!«, regt sich meine Cousine auf. »Wie kann er dir das nur erzählen?«
»Ach, Scheiße!«, rufe ich aus und mache mich von Kiki los. »Ich habe ihn ja selbst danach gefragt! Deshalb hat er es mir erzählt.« Wütend stampfe ich Richtung Küche. Pfeif auf »Keinen Alkohol mehr« – ich muss jetzt was trinken.
»Quatsch!«, ruft Kiki und kommt hinter mir her. »Er hätte doch auch was anderes sagen können. Malle. Oder Ibiza. Oder irgendwas anderes halt.«
»Tja«, ich reiße die Kühlschranktür auf und greife nach der Weißweinflasche, die zwischen diversen Frühstückutensilien liegt und mich anlacht, »besonders kreativ war der Herr Ingenieur eben noch nie.« Ich knalle die Flasche auf den Küchentisch und suche in der Besteckschublade hektisch nach einem Korkenzieher.
»Ach, mein Goldstückchen«, setzt Kiki an und greift nach der Weinflasche.
»Sag nichts!«, fauche ich und entreiße sie ihr wieder. »Das ist nicht der richtige Moment für einen Vortrag über meinen Alkoholkonsum. Mein Chef hat mich in die Pfanne gehauen, mein Ex fliegt mit irgendeiner Kuh nach Bella Italia, das nehme ich jedenfalls mal an, denn allein will er ja wohl kaum nach Venedig. Also heb dir deine Moralstandpauke für morgen auf, heute können mir alle mal den Buckel runterrutschen!«
»Ich wollte gar keine Ansprache halten«, sagt Kiki und wedelt mit dem Korkenzieher, den ich noch immer suche, vor meiner Nase herum. »Im Gegenteil. Ich wollte nur sagen, dass ich auch ein Glas gebrauchen kann. Und dazu eine richtig schön ungesunde Zigarette.« Sie wirft mir einen aufmunternden Blick zu – und dann müssen wir beide ganz furchtbar lachen, wobei mein
Gelächter wie eine kuriose Mischung aus Heulkrampf und Kaputtkringeln klingt.
»Die Idee mit dem
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