Goldstück: Roman (German Edition)
Schwester?«, rufe ich überrascht aus. Im selben Moment frage ich mich, ob ich eigentlich blind bin. Die gleichen braunen Augen, dieselben ebenmäßigen Züge, sogar ein Grübchen war bei Dorothee Hansmann zu entdecken, wenn sie lächelte. Wieso ist mir die Ähnlichkeit nicht gleich aufgefallen?
»Ja«, bestätigt Daniel. »Ich hab sie einfach darum gebeten, die Personalchefin für mich zu spielen.« Noch immer dieser zerknirschte Gesichtsausdruck. »Bist du jetzt böse?«, will er dann wissen.
»Überhaupt nicht!«, rufe ich lachend aus und gebe ihm ein Küsschen. »Ich finde das, ehrlich gesagt, absolut niedlich.«
»Puh«, meint Daniel, »da bin ich aber froh. Es ist mir wichtig, dass wir ehrlich miteinander sind, bevor wir … also, bevor wir …«
»Bevor wir was?«
»Bevor wir … weitermachen.«
Ich starre Daniel an. Hat er tatsächlich gerade »weitermachen« gesagt? Mir wird heiß und kalt gleichzeitig. Heiß, weil der Gedanke, mit Daniel zusammen zu sein, so unglaublich schön ist. Und kalt, weil es da tatsächlich etwas gibt, was ich Daniel dringend erzählen müsste.
»Ja, mir ist das auch wichtig«, sage ich. »Deshalb muss ich dir auch noch was sagen. Es ist nämlich so …« Ich unterbreche mich.
»Heraus damit!« Daniel lächelt mich aufmunternd an.
»Hm. Also, es ist so, dass ich …«
»Ja?«
Ich versuche, mich zu konzentrieren und Daniel die Wahrheit möglichst schnörkellos, aber schonend beizubringen. Los, Maike, du kannst es! Raus mit der Sprache – jetzt oder nie! Ehrlichkeit ist ihm wichtig, das hat er gerade gesagt, und zwar von Anfang an! Dann ist jetzt deine letzte Chance, ihm zu erklären, dass da ein furchtbares Missverständnis vorliegt und du gar nicht Kirsten Schäfer bist. Los, ein besserer Moment dafür kommt nicht mehr!
»Weißt du … in Wirklichkeit mag ich weder Fisch noch rohes Fleisch. Ich habe immer noch einen Mordshunger, und ich glaube, ich muss ganz dringend zu McDonald’s.«
[home]
22. Kapitel
M cDonald’s. McDonald’s! Ich kann immer noch nicht glauben, dass ich gestern nicht die große Lebensbeichte abgelegt habe, sondern den armen Daniel noch in eine Fast-Food-Bude geschleppt habe. Energischer als geplant klappe ich den Deckel der nächsten Sonnenbank hoch, die ich reinigen muss. Dabei schlägt er mit einem lauten Scheppern an die Wand, so dass Roger erstaunt den Kopf durch die Kabinentür steckt.
»He, lass meine Bänke heil! Die haben dir schließlich nichts getan.«
»Tschuldigung, Chef. War ganz in Gedanken.« Und in was für welchen – ich könnte mich, platt gesagt, in den Arsch beißen. Denn wenn ich schon die Beichte nicht hingekriegt habe, hätte ich dem Abend durchaus noch ein sehr romantisches Ende verpassen können. Kann ein Abend unromantischer enden als bei einem Big-Mac-Menü mit extra Mayo und Ketchup?
Danach habe ich mich jedenfalls nicht mehr getraut, Daniel zu küssen, weil ich Angst hatte, dass die Zwiebeln in dem Burger bei mir für schlechten Atem gesorgt hatten. Also hat Daniel mich nur mit einem Taxi nach Hause gebracht, und ich bin mehr oder weniger wort- und grußlos aus dem Auto gehüpft. Ich könnte heulen: So ein toller Abend und dann so ein doofes Ende. Wenigstens scheint er nicht sauer auf mich zu sein, denn als ich ihm vorm Schlafengehen noch eine SMS geschickt und mich für den schönen Abend bedankt habe, kam prompt ein »Träum süß, ich freu mich schon auf das nächste Mal mit dir!« zurück. Immerhin. Trotzdem bin ich einfach nur sau-sau-sau-dämlich! Und feige noch dazu, nicht mal mit Daniels Steilvorlage habe ich es fertiggebracht, ihm endlich mal reinen Wein einzuschenken.
Als ich aus der Kabine komme, wartet Nadine auf mich am Tresen.
»Probleme?«
»Nee, wieso?«
»Weil du schon den ganzen Vormittag mit sooo einem Gesicht durch den Laden läufst.«
»Ach, ich habe immer noch Ärger mit meinem Vermieter«, rede ich mich raus.
»Wie blöd. Hast du denn schon einen Untermieter gefunden?«
»Nein, auch noch nicht. Außerdem habe ich Kopfschmerzen. Irgendwie ist heute nicht mein Tag.«
Nadine guckt mich mitfühlend an. »Was hältst du davon, wenn du einfach wieder nach Hause gehst? Vielleicht hilft es ja, wenn du dich noch mal eine Runde ins Bett legst?«
Nadine hat recht. Immerhin habe ich heute Nacht vor lauter Ärger über mich selbst maximal vier Stunden geschlafen und den Rest der Zeit damit verbracht, mich in meinem Bett von links nach rechts zu rollen und immer wieder auf
Weitere Kostenlose Bücher