Golem - Golem - Genome, Inc.
Transkriptorenzone
M idtown. Arden war Anfang des 21. Jahrhunderts in der Bronx aufgewachsen. Er hatte liebevolle Erinnerungen daran. Es war ein schönes Viertel gewesen. Natürlich hatte es auch dort Verbrechen gegeben, aber das war in ganz New York nicht anders. Entfernte man sich zu weit von seinem Heim, wusste man nie, was geschehen würde. Und Arden hatte Midtown Manhattan stets als leuchtendes Juwel betrachtet. Als einen Ort zum Einkaufen. Als einen Ort, um sich eine Show anzusehen. Als einen Ort für alles, was man wollte. Deshalb stimmte es ihn nun so traurig, dass sich alles verändert hatte.
Nachdem man damit begonnen hatte, die Fertigungsanlagen für Transkriptoren in Länder wie Malaysia und China zu verlegen, hatte man eine der ersten Modifikationsfabriken für Transkriptoren in Midtown errichtet. Wofür war das gut? Ein Beispiel: Nehmen wir an, man kaufte einen Transkriptor, der sich um die alte Mutter kümmern sollte, aber die Mutter wollte grüne statt blaue Augen. Dann brachte man seinen Transkriptor in eine Modifikationsfabrik, und gegen eine geringe Gebühr wurde dort die Augenfarbe verändert, und man bekam den perfekten Transkriptor, den man schon immer haben wollte.
Auch konnte man seinen gebrauchten Transkriptor in diesen Anlagen gegen einen neuen eintauschen. Das alte Modellwurde umgebaut, um beispielsweise bei der Stadtreinigung zu arbeiten. Solche Transkriptoren hatte man im Umfeld der Modifikationsfabrik angesiedelt.
Aber je mehr Transkriptoren in der Gegend lebten, desto mehr wuchs die Kriminalitätsrate. Touristen beschwerten sich, und schließlich nahm auch die Stadt Notiz von der problematischen Situation. Im Jahre 2033 hatte die Stadt versucht, alle Transkriptoren aus Midtown auszuweisen, doch ein gewaltsamer Aufstand war die Folge. Die Transkriptoren legten Feuer und zerstörten Läden. Erst jetzt erkannten die Verantwortlichen bei der Stadt, dass sie einen Fehler begangen hatten: Man hätte niemals zulassen dürfen, dass sich so viele Transkriptoren in einem einzigen Wohngebiet niederließen. Doch nun ließ sich daran nichts mehr ändern, und jeder Versuch, die Transkriptoren zu vertreiben, würde zu Bürgerkrieg führen.
Außerdem war die Stadt zu diesem Zeitpunkt bereits abhängig von Transkriptoren. Ohne sie wäre die gesamte Dienstleistungsindustrie zusammengebrochen. Also gestaltete die Stadt den Großteil von Midtown zu einem Wohngebiet für Transkriptoren um, und es dauerte nicht lange, da hatte Midtown die höchste Bevölkerungsdichte der Stadt – höher noch als Governor’s Island.
Was einst ein Viertel teurer Geschäfte und edler Restaurants gewesen war, war jetzt nur noch eine Hülle voller Drogen und Gewalt. Transkriptoren lebten in den alten Bürogebäuden buchstäblich aufeinander und fuhren von dort jeden Tag zur Arbeit. Das New York Police Department fuhr zwar Streife in Midtown, doch da Verbrechen von Transkriptoren an ihresgleichen keine Bedeutung hatten, blieben die meisten Taten ungesühnt.
Als sie weiter nach Norden kamen, änderte sich die Atmosphäre rasch, und kaum hatten sie die Distriktgrenze überschritten, tauchten ausgebrannte Gebäude auf, eingeschlagene Fenster und andere Überreste der Unruhen von 2034. Manches Haus war nur noch eine Ruine wie nach einem Bombenangriff, nur dass es in diesem Viertel niemand eilig hatte, mit dem Wiederaufbau zu beginnen. In einigen Gebäuden brannten Feuer. Wo es weder Strom noch Heizung gab, behalfen die Transkriptoren sich mit offenen Feuern. Videotafeln warben für Sexshops; Nutten lungerten vor den verriegelten und verrammelten Gittertüren an der U-Bahn-Station Rockefeller herum.
Die Adresse, die Benny Zero den Detectives gegeben hatte, lautete: 30 Rockefeller Plaza, 65. Stock. Der alte Rainbow Room lag tief im Transkriptorenviertel. Arden parkte vor der Radio City Music Hall, öffnete den Kofferraum und holte zwei kugelsichere Westen heraus. Dann zogen er und Sanders die blau-weißen Westen über ihre Jacketts und waren somit eindeutig als Cops zu erkennen. Die meisten Transkriptoren ließen die Polizei in Ruhe; schließlich gab es genug andere Opfer.
Das einst so berühmte Schild der Radio Music Hall war schon vor langer Zeit abgebrannt, die Buchstaben im Dunkeln kaum noch zu sehen. Im Erdgeschoss waren ein paar Fenster herausgeschlagen, und ein steter Strom von Junkies strömte durch die Drehtür des Gebäudes. Auf der Straße türmte sich der Müll. Arden winkte einem NYPD-Streifenwagen zu, der
Weitere Kostenlose Bücher