Golem - Golem - Genome, Inc.
unbeirrt fort. »Es ist, als hätten wir die Rosensträucher gerade weiß statt rot gestrichen, und nun warten wir darauf, wer einen Kopf kürzer gemacht wird.«
»Für Kinder scheint mir das eine ziemlich harte Story zu sein«, erwiderte Saxton. »Ist die neu?«
Der Volvo musterte ihn mit seltsamem Gesichtsausdruck, doch bevor er antworten konnte, öffnete sich die Tür, und Harold Lieberman trat ein.
Lieberman war eine Legende bei Genico. Er war der Broker, der das Spiel überhaupt erst erfunden hatte. Er presste Geld aus einem Samp wie andere Leute Saft aus einer Orange. Und in dem über Autos definierten Kastensystem schlug er sie alle. Er fuhr einen Rolls Royce Silver Seraph, locker zweihunderttausend teurer als ein Bentley.
Lieberman herrschte über den 89. Stock. Er und sein Leibwächter Rasputin, ein muskulöser, schwarzhaariger Transkriptor, schlichen stets durch die Großraumbüros wie zwei Löwen auf der Suche nach Christen, die sie verschlingen konnten. Sein Büro thronte über allem wie eine Burg mit gläsernen Mauern, sodass Lieberman gelassen zuschauen konnte, wie sein Geld hereinströmte. Und Gott helfe demjenigen, der sich auch nureinen Cent durch die Lappen gehen ließ! In der Kirche der Broker war das die eine, unverzeihliche Todsünde.
Liebermans Bewegungen waren energisch, sein Gesicht leicht gerötet. Im Gegensatz zu Saxtons Vater, der in seinem ganzen Leben noch kein Samp genommen hatte und tatsächlich wie ein Achtzigjähriger aussah, nahm Lieberman jedes neue Samp, das auf den Markt kam, sodass er nun im Körper eines gutaussehenden, schwarzhaarigen Mannes Mitte vierzig vor ihnen stand. Wortlos ging er zum Kamin und drehte sich zu den Versammelten um. Hinter ihm stand Rasputin, der unheimliche Transkriptor, der ihm überallhin folgte. Acht nervöse Gesichter schauten ihn an – sieben sündhaft teure Wagen und ein Volvo-Kombi. Alle warteten auf das Urteil, das über ihr Leben entscheiden würde.
»Es gibt nur ein Gebot bei Genico«, begann Lieberman. »›Du sollst nicht stehlen‹ gilt bei uns nicht. Lügen? Wir belohnen Lügner sogar! Also, wie lautet das einzige Gebot, das wir haben? Nun? Es lautet: ›Verliert nicht mein verdammtes Geld!‹«
Lieberman stand unter seinem eigenen gerahmten Porträt. Er schwieg einen Moment, um seine Worte wirken zu lassen, bevor er sich zum Kamin umdrehte und einen der gusseisernen Schürhaken von der Wand nahm. Mit drohendem Klirren ließ er die Spitze auf den Boden fallen.
Liebermans Haar war mit Gel zurückgekämmt und schimmerte im Lampenlicht. Seine Haut war dunkel, seine Augenbrauen buschig, seine Augen fast schwarz. Einige Broker waren begnadete Marktschreier. Sie konnten einen tollwütigen Hund überreden, von der Ladefläche eines Fleischlasters zu springen. Lieberman besaß diese Gabe nicht. Stattdessen hatte er das Talent, andere mit Worten vernichten zu können. Ein Mann wie er hätte selbst der heiligen Jungfrau die Schamesröte ins Gesicht getrieben.
Den Schürhaken in der Hand, ließ Lieberman den Blick über die Versammelten schweifen und starrte jedem in die Augen.
Gut eine Minute war vergangen, als er endlich wieder den Mund aufmachte. »Gestern …«, begann er langsam. »Gestern, vor zwölf Stunden, waren diese Firma und ihre Kunden noch ein paar Picassos mehr wert. Weiß hier jemand, warum das so ist?«
Die acht Männer schwiegen. Broker hassten es, Geld zu verlieren. Niemand bei Genico konnte die Summen überhaupt aussprechen. Es bedeutete Pech, Versagen anzuerkennen. Stattdessen verwendete man Codes. Ein Picasso bedeutete zwei Millionen, ein Andy Warhol zehn Millionen. Dann folgten ein Van Gogh mit zwanzig, und die ultimative Katastrophe war ein Jackson Pollock mit dreißig Millionen und mehr. Geld war nur Geld, wenn man es machte; verlor man es, war es Kunst.
Lieberman schob die Unterlippe vor und hob zwei Finger. »Wir haben zwei Picassos verloren und sind auf dem besten Weg zu einem Andy Warhol. Weiß jemand von Ihnen, wohin diese Kunst verschwunden ist? Haben wir etwas dafür bekommen? Irgendetwas? Wir stehen kurz davor, einen verdammten Van Gogh zu verlieren, und wir können nichts – nichts – dafür vorweisen!«
Saxton starrte ihn mit leerer Miene an.
»Was ist passiert?«, wollte Lieberman wissen und hob den Schürhaken. »Bauchspeicheldrüsenkrebs, das ist passiert. Wir haben eine Unsumme in ein Samp investiert, das nicht funktioniert hat.«
Beschämt ließen die Männer die Köpfe hängen. Der Volvo
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