Golem - Golem - Genome, Inc.
aus dem Schlafzimmer, um das Saxofon zu übertönen.
Roosevelt nahm die Flasche vom Mund. »Ja, ich bin’s.«
Er ging durch den langen Flur zum Schlafzimmer. Aus dem Fenster sah er, dass es von Osten her allmählich dunkler wurde. Der Abend brach an. Die Tür stand halb offen, und Roosevelt schlüpfte hindurch. Im Zimmer roch es stark nach Parfüm.
Dolce trug etwas Langes, Schwarzes, das im Licht schimmerte. Sie schaute in einen Spiegel und zupfte sich die Augenbrauen.
»Alles okay?«, fragte sie.
»Sicher. Warum?« Roosevelt verspannte sich und dachte an Queen Elizabeth. Er war kein Fremdgeher, aber wenn man allein mit einem Transkriptorenmädchen erwischt wurde, konnte man sich schlecht herausreden. Er hätte es nie zulassen dürfen, und rückblickend erschien es ihm seltsam, dass es überhaupt so weit gekommen war. Rasch schaute er an sich herunter undsuchte nach blonden Haaren, während er sich gleichzeitig die Brust abklopfte. Dabei traf seine Hand auf das Silberkreuz, das Dolce ihm gegeben hatte, und ihn überkam eine Woge der Schuld.
»Dein Bruder hat angerufen. Er sucht dich«, sagte Dolce und zuckte mit den Schultern. »Ich habe ihm gesagt, er soll es auf deinem Handy versuchen.«
»Er hat hier angerufen? Warum?«
»Weiß ich nicht.«
»Ich war gerade bei Dad drüben und habe die Tickets geholt.«
»Du warst ’ne ganze Weile weg«, sagte Dolce. Es war bloß eine Feststellung, kein Vorwurf, und Roosevelt antwortete nicht darauf. Mit einer Affäre hat man jemanden ganz hervorragend in der Hand. Roosevelt erinnerte sich daran, was Queen Elizabeth gesagt hatte. Sie hatte ihm erzählt, dass man sie angewiesen habe, aggressiv bei ihm zu sein. Ihn zu verführen. Roosevelt wusste, dass sein Bruder eifersüchtig auf ihn war. Dass er, Roosevelt, jetzt auch noch die Kontrolle über Genico bekommen sollte, musste hart für Phillip sein. Trotzdem weigerte Roosevelt sich zu glauben, dass sein Bruder die Transkriptorin zu ihm geschickt hatte, um etwas gegen ihn in der Hand zu haben. Warum sollte er? Um ihn zu erpressen? Um ihn zu zwingen, die Macht abzugeben? Nein. Roosevelt schob den Gedanken rasch beiseite. Das war unmöglich. So tief war sein Bruder nicht gesunken.
»Was meinst du?«, fragte Dolce und schob ihr Haar zurück.
»Worüber?«
»Über das Kleid«, sagte Dolce.
»Oh«, erwiderte Roosevelt und schaute es sich genauer an. »Ziemlich glitzernd.«
»Was für ein tolles Kompliment.«
»Nein, nein.« Roosevelt schüttelte den Kopf. »Es sieht gut aus. Wirklich, Mom.«
»O Gott, fang jetzt nicht mit ›Mom‹ an. Da fühle ich mich ja noch älter, als ich ohnehin schon bin.«
Roosevelt und Dolce lebten in einer kleinen Wohnung in Park Slope, Brooklyn. Der Prospect Park war in Fußreichweite, und Roosevelt ging manchmal dorthin, um wenigstens so zu tun, als wäre er draußen in der freien Natur. Im Vergleich zum Penthouse seines Vaters lebte er in einer Wellblechhütte, doch Roosevelt fühlte sich hier wohl. Die Leute von der Wall Street verschlug es nur selten nach Park Slope, und so hatte Roosevelt hier seine Ruhe vor den typischen Mitarbeitern des 89. Stocks. Manchmal sah man hier tagelang keine Krawatten oder gar Caraceni-Anzüge.
Roosevelt zog sich rasch an und wartete auf Dolce. Er setzte sich aufs Sofa und schaute CNN. Ja, er hatte tatsächlich Schuldgefühle wegen der Stunde, die er mit Queen Elizabeth verbracht hatte – und er hatte auch Angst, dass Dolce es irgendwie herausfinden könnte. Aber das war eher unwahrscheinlich. Außerdem war ja wirklich nichts geschehen, auch wenn es ziemlich abgedroschen klang. Aber es war unerwartet gewesen, so eine Verbindung mit einer anderen Frau gehabt zu haben, besonders mit einer Transkriptorin. Darüber würde er später noch mal nachdenken müssen.
Roosevelt schaute auf sein Handgelenk und spielte mit seinem Armband. Es bestand aus miteinander verbundenen, goldenen Dollarzeichen, ein Scherz, den Dolce ihm vor seinem ersten Tag bei Genico geschenkt hatte.
»Für Sie und mich bedeutet das neue, unbegrenzte Hoffnung gegen die Leiden des Alters und der Krankheit, aber auch einen neuen Weg zu ungeahntem Reichtum«, sagte plötzlich Harold Liebermans Stimme.
Lieberman wurde von CNN interviewt. Der Mann war inzwischen fast allgegenwärtig. So viel zum Thema »die Arbeit im Büro lassen«. Roosevelt konnte ihr einfach nicht entkommen. Samps beherrschten die Gesellschaft.
»Wir kommen zu spät«, rief Roosevelt in Richtung Schlafzimmer.
»Klappt
Weitere Kostenlose Bücher