Golem - Golem - Genome, Inc.
schon«, rief Dolce zurück. »Bin gleich fertig!«
Roosevelt hörte einen Föhn, während Dolce das mysteriöse Ritual vollführte, das alle Frauen zelebrierten, wenn sie sich zum Ausgehen fertig machten. Nur dass Dolce diesem Ritual noch mehr Aufmerksamkeit zu schenken schien als andere Frauen. Wie ein kosmetischer Pathologe suchte sie jeden Quadratzentimeter ihres Körpers ab, damit auch ja alles stimmte. Roosevelt blieb nichts anderes übrig, als weiter zu warten.
Er richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf CNN. Lieberman war verschwunden. Jetzt sprach eine Analystin mit blondem Lockenhaar und Schmollmund. Die Microsoft-Aktie war wieder mal einen halben Punkt gefallen. Trotzdem war es schön zu sehen, dass ein paar alte Unternehmen überlebt hatten. Roosevelt überkam ein Gefühl der Nostalgie. Seine Großeltern hatten vermutlich ähnlich empfunden, wenn sie Namen wie US Steel gehört hatten. Ach, die gute alte Zeit …
»Wie läuft’s, Michelangelo? Ist das Kunstwerk bald vollendet?«
»Dios mio! Jetzt sei doch nicht so blöd!«, rief Dolce zurück. Der Föhn verstummte und wich dem Geräusch des Wasserhahns. »Wenn ich mit dir rede, dauert es noch länger.«
Roosevelt wandte sich wieder dem Fernseher zu. Die Stimme eines Schauspielers erklärte ihm soeben, dass er CNN schaue; dann kam eine Werbung für das Anti-Aging-Samp: Zwei Senioren spielten Beachvolleyball und erzählten Roosevelt, dass sie früher nur von einem Seniorenheim in Boca hätten träumen können; nun aber spielten sie Volleyball und unternehmen auch sonst alles Mögliche. Ageaway, hol dir dein Leben zurück! Ageaway – weg mit dem Alter! Alt werden, ohne in die Windeln zu scheißen.
In Wahrheit aber gab es kein Samp, das den Alterungsprozess hätte aufhalten können. Dieses Geheimnis war der Heilige Gral der Genindustrie. Samps konnten den Prozess nur verlangsamen, aber nicht umkehren.
Die Forschung zielte auf eine ganze Gesellschaft von Frauen, die keinen Tag älter aussahen als zwanzig, und nach Männern, die nicht älter erschienen als fünfundzwanzig. Im Moment waren sie allerdings noch gut dreißig Jahre von diesem Ziel entfernt. Ende fünfzig war die Grenze.
Roosevelt hörte, wie der Wasserhahn abgedreht wurde, und eine Minute später ging die Tür auf, und Dolce kam endlich heraus.
»So, fertig. Zufrieden?«
Sie trat hinter Roosevelt ans Sofa, legte ihm die Hände auf die Schultern und beugte sich über ihn. Dolce hatte schokoladenbraune Haut, weich und warm, wenn man sie berührte. Kurz wurde es dunkel, als ihn ihr dichtes schwarzes Haar einhüllte. Ihr Duft erfüllte alles, als sie leidenschaftlich die Lippen auf die seinen drückte.
Wow!
Auch nach zwanzig Jahren war sie noch immer das Schönste, was er je gesehen hatte. Manchmal fiel es ihm nur schwer, ihr das zu sagen. Ihm fehlten einfach die richtigen Worte. Als er sie das erste Mal gesehen hatte, war sie acht Jahre alt gewesen und hatte in dem großen Foyer des riesigen Anwesens gestanden, das Saxton Senior sich gebaut hatte. Und nun stand sie als Frau vor ihm, und wieder einmal hatte er das Gefühl, als sähe er sie zum ersten Mal. Das Verlangen, mit ihr zusammen zu sein, war so stark, dass es Roosevelt manchmal ängstigte. Auch jetzt hatte er Mühe, sich zu beherrschen.
»Stimmt was nicht?«
»So kann ich dich nicht ausführen«, sagte er heiser und ging in die Küche. »Nicht jetzt.«
»Nicht?«
»Ich weiß nicht, was ich tun soll!« Roosevelt hatte das Gefühl, vor Lust zu explodieren.
»Tu einfach irgendetwas.« Sie lächelte ihn heraufordernd an.
Roosevelt schnappte sich eine Glasvase vom Küchentresen und schleuderte sie gegen die Wand. Die Vase zerbarst. Splitter regneten auf den Boden. Das Geräusch löste ein wenig von seiner inneren Spannung, doch es reichte nicht. Dolce packte Roosevelt und zog ihn auf dem Küchentresen an sich.
»Unsere Beziehung hat inzwischen etwas Zerstörerisches«, keuchte sie, als er seinen Mund auf ihren presste.
Roosevelt warf sich auf sie. Dabei stieß er mit dem Kopf an den Hängeschrank, spürte den Schmerz aber gar nicht. Sie rangen miteinander, heftig und verbissen, und machten wild und leidenschaftlich Liebe.
Hinterher stand Roosevelt auf, schwer atmend und verschwitzt, schaute auf die Uhr und sagte: »Wir kommen zu spät.«
Dolce erhob sich ebenfalls, hob ihr Kleid vom Boden auf und warf es sich über die Schulter. »Ich mache mich rasch wieder zurecht. Warte schon mal im Auto auf mich. Wir haben keine Zeit, das
Weitere Kostenlose Bücher